ZZ 2013 BMJ DIE ÖSTERREICHISCHE JUSTIZ SEITE 16-31
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Persönliche Anmerkung: Maschinelle Transkription zur Dokumentation und zum Beweis nach bestem Wissen und Gewissen jedoch ohne jegliche Gewähr.
SEITE 16-31 PERSÖNLICHE ANMERKUNG: SEITENNUMMER AM BEGINN DER SEITE
SEITE 16: 3.4. Strafvollzug
3.4.1. Allgemeines
Das Justizministerium ist auch für den Strafvollzug zuständig. Die Bundesverfassung legt die
Kompetenz des Bundes in Gesetzgebung und Vollzug fest. Primäre rechtliche Grundlage für den
Strafvollzug in Österreich ist das Strafvollzugsgesetz 1969. Von den darauf aufbauenden generellen
Vorschriften ist die Vollzugsordnung für Justizanstalten hervorzuheben.
3.4.2. Strafvollzugsanstalten – Anzahl und Art
Insgesamt stehen 27 Justizanstalten zur Verfügung:
-- sieben Strafvollzugsanstalten für Männer zum Vollzug von Freiheitsstrafen von mehr als
18 Monaten;
-- eine Strafvollzugsanstalt für Jugendliche;
-- eine Strafvollzugsanstalt für Frauen;
-- drei Einrichtungen für den Maßnahmenvollzug;
-- 15 gerichtliche Gefangenenhäuser am Sitz der für Strafsachen zuständigen Landesgerichte.
Dazu kommt eine Reihe von Außenstellen, die zum Teil als landwirtschaftliche Betriebe geführt
werden.
3.4.3. Freiheitsentzug – Formen und Zweck
Das österreichische Rechtssystem kennt drei verschiedene Formen strafgerichtlichen Freiheitsentzugs,
und zwar Untersuchungshaft, Strafhaft und mit Freiheitsentziehung verbundene, vorbeugende
Maßnahmen.
Die Untersuchungshaft ist zu verhängen, wenn gegen eine Person der dringende Verdacht einer
gerichtlich strafbaren Handlung besteht und einer der gesetzlich festgelegten Haftgründe (Fluchtgefahr,
Verdunklungsgefahr und Tatbegehungs- bzw. Tatausführungsgefahr) vorliegt. Dies ist in der
Strafprozessordnung 1975 geregelt.
Die Strafhaft als Vollzug gerichtlich verhängter Freiheitsstrafen ist im Strafvollzugsgesetz geregelt.
Nach § 20 Strafvollzugsgesetz soll der Vollzug der Freiheitsstrafe den Verurteilten zu einer
rechtschaffenen und den Bedürfnissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung
verhelfen und sie abhalten schädlichen Neigungen nachzugehen. Der Vollzug soll außerdem den
Unwert des der Verurteilung zugrundeliegenden Verhaltens aufzeigen.
Das Strafgesetzbuch kennt zwei Arten von Strafen: Die Freiheitsstrafe und die Geldstrafe. Strafe ist
eine Reaktion auf das vorausgegangene schuldhafte Verhalten des Verurteilten. Daneben sieht das
Strafgesetzbuch mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahmen vor. Diese richten
sich gegen die Gefährlichkeit des Täters. Sie werden auch eingesetzt, sofern die Besserung des
Rechtsbrechers und der Schutz der Gesellschaft besser durch diese Maßnahmen erreicht oder wo
Strafen mangels Schuld (etwa Zurechnungsunfähigkeit) nicht verhängt werden können.
Die wichtigste dieser Maßnahmen ist die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme
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Rechtsbrecher. Diese wird auf unbestimmte Zeit angeordnet. Das Gericht hat zumindest jährlich
zu prüfen, ob die Unterbringung noch notwendig ist. Vorbeugende Maßnahmen werden in eigenen
Justizanstalten, in besonderen Abteilungen oder in bestimmten öffentlichen psychiatrischen Krankenhäusern
vollzogen.
3.4.4. Häftlinge
In den österreichischen Justizanstalten sind rund 8.900 Personen in Haft. Davon sind etwa 6.000
Strafgefangene und 1.800 Untersuchungshäftlinge sowie 900 im Maßnahmenvollzug untergebrachte
Personen.
Rund sechs Prozent der Insassen in den Justizanstalten sind Frauen, weniger als zwei Prozent
jugendliche Straftäter und rund sechs Prozent junge Erwachsene (Personen im Alter von 18 bis 21
Jahren).
Knapp 4.000 Insassen, das sind rund 46 Prozent aus über 100 Nationen, besitzen nicht die österreichische
Staatsangehörigkeit.
Jeder arbeitsfähige Strafgefangene ist verpflichtet Arbeit zu leisten. Das Arbeitsumfeld stellt einen
wichtigen Bereich für das fachliche und soziale Lernen dar. Dafür stehen in den Justizanstalten verschiedene
Werkstätten und Betriebe in rund 50 Sparten zur Verfügung. Der Strafgefangene erhält
eine Arbeitsvergütung, die ihm auch die Rückkehr in geordnete Verhältnisse nach der Haft erleichtern
soll.
3.4.5. Leitung des Strafvollzugs
Die Leitung des Strafvollzugs obliegt dem Bundesministerium für Justiz. Dort ist zur Unterstützung
und Beratung der Bundesministerin für Justiz eine Abteilung eingerichtet, die die strategische Leitung
und die dienst- und fachaufsichtsbehördliche Zuständigkeit in oberster Instanz im Strafvollzug
wahrnimmt.
Seit 1.Jänner 2007 ist die Vollzugsdirektion als dem Bundesministerium für Justiz nachgeordnete
Dienstbehörde und operative Oberbehörde für den österreichischen Strafvollzug eingerichtet.
3.4.6. Zahl der Strafvollzugsbediensteten
In den Justizanstalten sind rund 3.600 Bundesbedienstete tätig, hiezu kommt insbesondere für
Betreuungsaufgaben Personal, das seitens der Justizbetreuungsagentur bereitgestellt wird. Rund
3.100 der Bediensteten gehören der Justizwache an. Das Berufsbild der Justizwachebediensteten ist
das von Allroundern. Sie arbeiten nicht nur als Wache und in den Abteilungen, sondern auch in Werkstätten
und Arbeitsbetrieben, eine abgeschlossene Berufsausbildung ist Aufnahmevoraussetzung.
In den sogenannten Betreuungsdiensten sind Seelsorger, Anstaltsärzte, Psychiater, Psychologen,
Soziologen und Lehrer (Pädagogen) tätig. Dazu kommen Sozialarbeiter, Krankenpfleger
und Stationsgehilfen sowie anderes Anstaltspersonal mit besonderen Ausbildungen.
Zur Fortbildung der Justizwachebediensteten gehören laufende Schulungen vor allem in den justizeigenen
Einrichtungen, aber auch durch externe Bildungsträger.
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3.4.7. Budget des Strafvollzugs
Das Gesamtbudget für den Straf- und Maßnahmenvollzug einschließlich Bewährungshilfe liegt im
Jahr 2013 bei rund 440 Mio. Euro. Die Einnahmen sind mit rund 50 Mio. Euro veranschlagt, wovon
knapp 3/4 auf Beiträge der Insassen zu den Vollzugskosten und einen Beitrag der Länder zu den
Kosten der Gesundheitsversorgung der Insassen entfallen.
3.4.8. Start nach der Strafe
Die Durchführung der Bewährungshilfe hat die Republik Österreich bundesweit einem privaten
Träger, dem Verein „Neustart – Bewährungshilfe, Konfliktregelung, Soziale Arbeit“ übertragen.
„Neustart“ ist österreichweit tätig und hat neben der Durchführung der Bewährungshilfe auch die
Durchführung des außergerichtlichen Tatausgleichs, die Einrichtungen der Haftentlassenenhilfe und
Wohneinrichtungen in seinem Angebots- und Leistungskatalog. Einrichtungen von „Neustart“ gibt
es in allen Bundesländern. Die Initiativen umfassen auch Entlassungsberatung, Kommunikationszentrum,
Arbeitstraining, Vermittlung gemeinnütziger Leistungen, Clearing, Kriminalitätsprävention,
Drogenberatung, Familienbetreuung, Schulsozialarbeit, Jugendhilfe und Verbrechensopferhilfe.
3.5. Bundesministerium für Justiz
3.5.1. Bundesministerin für Justiz als oberstes Verwaltungsorgan
An der Spitze der Justizverwaltung steht die Bundesministerin für Justiz; ihr ist das Bundesministerium
für Justiz beigeordnet. Die Bundesministerin für Justiz gehört zu den obersten Verwaltungsorganen
des Bundes und ist Mitglied der Bundesregierung. Ihr obliegt die politische Leitung, Koordination
und oberste Aufsicht über das Justizressort (samt Strafvollzug) und alle dazugehörenden Dienststellen.
3.5.2. Organisation
An der Spitze des Bundesministeriums für Justiz steht die Bundesministerin für Justiz. Im Justizministerium
arbeiten derzeit rund 230 Mitarbeiter, die in vier Verwaltungsgliederungen („Sektionen“)
tätig sind.
-- Die Präsidialsektion (Koordination, Revision, Öffentlichkeitsarbeit, Informationstechnik, Rechtsinformatik,
Justizmanagement und Budget),
-- die Zivilrechtssektion,
-- die Personal- und Strafvollzugssektion und
-- die Strafrechtssektion.
3.5.3. Aufgaben
3.5.3.1. Vorbereitung von Gesetzen
Eine wichtige Aufgabe des Bundesministeriums für Justiz besteht in der Vorbereitung von Akten
der Gesetzgebung. Zu dieser Zuständigkeit gehören vor allem das Zivil- und das Strafrecht. Das
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Zivilrecht umfasst etwa das Familien- und Erbrecht, das Vertragsrecht, das Gesellschaftsrecht, das
Urheberrecht sowie Vorschriften über die Abwicklung von Zivilprozessen, Zwangsvollstreckungen
und Insolvenzen. Das Bundesministerium für Justiz erarbeitet auch Vorschläge zur Gesetzgebung
im Straf- und Strafprozessrecht, im Strafvollzug sowie teilweise im Medienrecht.
Justizgesetze berühren viele persönliche und private Lebensbereiche. Es entspricht bewährter Tradition,
die Justizgesetzgebung möglichst aus der Tagespolitik herauszuhalten und unabhängig von
der politischen Konstellation so weit wie möglich ein Einvernehmen zwischen allen im Parlament
vertretenen Parteien herzustellen. Der breite Konsens über die Regelungen dieser persönlichen
Lebensbereiche sichert eine hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung.
3.5.3.2. Sicherung der unabhängigen Rechtsprechung
Rechtsprechung in Zivil- und Strafsachen ist in Österreich ausschließlich Sache unabhängiger
Richter. Bestimmte Geschäfte werden von Diplomrechtspflegern geführt; das sind besonders ausgebildete
Gerichtsbeamte.
Die Unabhängigkeit der Richter ist verfassungsgesetzlich gesichert. Sie besteht in der Weisungsungebundenheit
und darin, dass Richter nur auf Grund eines richterlichen Erkenntnisses abgesetzt
oder versetzt werden können. Der Richter ist ausschließlich an die Rechtsordnung gebunden. Keine
Stelle inner- oder außerhalb der Justiz kann einem Richter eine Weisung zu einer bestimmten
Sachentscheidung geben, auch nicht die Bundesministerin oder das Bundesministerium für Justiz.
Richter werden nach einem objektivierten Auswahlverfahren von der Bundesministerin für Justiz
ernannt, die Ernennung höherer Richter hat sich der Bundespräsident vorbehalten.
Das Bundesministerium für Justiz ist verantwortlich für die Aufrechterhaltung und Entwicklung der
Tätigkeit der Gerichte und sonstigen Justizbehörden. Dazu gehört insbesondere die Gewährleistung
der personellen und organisatorischen Voraussetzungen für den Betrieb der ordentlichen Gerichte,
der Staatsanwaltschaften, der Justizanstalten und der Bewährungshilfe.
3.5.3.3. Internationale Zusammenarbeit
Die Teilnahme an der Vorbereitung von Rechtsinstrumenten in den Organen der Europäischen
Union ist ein wesentlicher Teil der Arbeit des Bundesministeriums für Justiz. Das Bundesministerium
für Justiz beteiligt sich aktiv an der Entwicklung der Europäischen Union zu einem Raum der
Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, der Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie,
Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der
Personen, die Minderheiten angehören.
Dieses Ziel hat sich die Union in dem am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon
gesetzt. Daneben beteiligt sich das Bundesministerium für Justiz an der internationalen straf- und
zivilrechtlichen Zusammenarbeit auch auf anderen Ebenen wie dem Europarat und der UNO. Wichtiges
Ziel der Arbeiten ist die Sicherstellung des Rechtshilfeverkehrs im internationalen Bereich.
Nähere Ausführungen zur internationalen Zusammenarbeit finden sie in Kapitel 8.
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3.6. Bundeskartellanwalt
Der Bundeskartellanwalt wurde mit der Kartellgesetznovelle 2002 im Wirkungsbereich des Bundesministeriums
für Justiz eingerichtet. Aufgabe des Bundeskartellanwalts ist die Vertretung der
öffentlichen Interessen in Angelegenheiten des Wettbewerbsrechts beim Kartellgericht. Darunter
fallen nicht nur Kartellrechtsfälle im engeren Sinne, sondern auch Fälle des Missbrauchs einer
marktbeherrschenden Stellung oder Zusammenschlussverfahren. Der Bundeskartellanwalt ist –
neben der im Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend angesiedelten
Bundeswettbewerbsbehörde – Amtspartei: Damit hat er zum Zwecke der Wahrung der
öffentlichen Interessen auch in solchen kartellgerichtlichen Verfahren Parteistellung, in denen er
nicht Antragsteller ist.
3.7. Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften
Mit Wirkung vom 1. Oktober 2010 wurde die Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften als
eine eigenständige Behörde eingerichtet, die dem Bundesministerium für Justiz nachgeordnet ist.
Sie setzt sich aus drei Personen zusammen: einem Leiter, dessen Stellvertreter und einem Mitarbeiter
zur Führung der Kanzleigeschäfte.
Zu den wichtigsten Aufgaben der Behörde zählen die Erteilung und Abgrenzung von Betriebsgenehmigungen
an Verwertungsgesellschaften sowie die Kontrolle ihrer Einhaltung, die Erlassung
aufsichtsbehördlicher Maßnahmen im Falle von Verstößen gegen das Verwertungsgesellschaftengesetz
und die Vermittlung im Falle von Streitigkeiten zwischen Verwertungsgesellschaften
untereinander bzw. Verwertungsgesellschaften und deren Mitgliedern. Ein bedeutender Teil der
Arbeit besteht in der Teilnahme an den Organsitzungen der Verwertungsgesellschaften.
Der Wunsch des Gesetzgebers nach Schaffung von Transparenz manifestiert sich darin, dass die
Verwertungsgesellschaften der Aufsichtsbehörde u.a. jede Änderung ihrer Organisationsvorschriften,
die Vertragsbedingungen zur Schließung von Wahrnehmungsverträgen mit ihren Mitgliedern,
ihre Gegenseitigkeitsverträge mit ausländischen Schwestergesellschaften, ihre Tarife und Gesamtverträge
sowie den Jahresabschluss, Lage- und Prüfbericht und die jährlichen Berichte über die
Verwendung der Einnahmen aus der sogenannten Leerkassettenvergütung übermitteln müssen.
Im Sinne der Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit sind die Verwertungsgesellschaften auch
zu umfassenden Veröffentlichungen auf ihren Websites verpflichtet; die Einhaltung dieser Verpflichtung
wird ebenfalls von der Aufsichtsbehörde kontrolliert.
Gegen Bescheide der Aufsichtsbehörde steht das Rechtsmittel der Berufung an den Urheberrechtssenat
offen.
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4.1. Bedienstete in der Justiz
In der österreichischen Justiz sind derzeit etwa 1.700 Berufsrichter tätig. Daneben werden noch Laienrichter
eingesetzt, die ehrenamtlich tätig sind und als Schöffen und Geschworene im Strafprozess
sowie als fachmännische und fachkundige Beisitzer im handels- sowie arbeits- und sozialrechtlichen
Prozess gemeinsam mit Berufsrichtern Recht sprechen. Ferner sind etwa 380 Staatsanwälte
tätig. Für die Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Betriebs der Gerichte und Staatsanwaltschaften
sorgen über 4.800 Beamte und Vertragsbedienstete. Etwa 3.600 Mitarbeiter (davon rund
3.100 Justizwachebeamte) versehen ihren Dienst im Strafvollzug.
Bundesministerium für Justiz (zentralstelle):
ABeamte
sowie Richter und Staatsanwälte (einschließlich Zuteilungen) 113,00
übrige Bedienstete (einschließlich Zuteilungen) 103,15
oberster Gerichtshof und Generalprokuratur:
Richter (einschließlich der Richter im Evidenzbüro des OGH) 66,00
Staatsanwälte 16,00
übrige Bedienstete 37,00
Justizbehörden in den ländern:
4 olGe, 4 ostaen, 20 lGe, 16 staen, wksta, 134 BGe
Richter 1.624,00
Staatsanwälte 361,00
Richteramtsanwärter 248,00
übrige Bedienstete 4.790,58
davon Rechtspfl eger (1. 4. 2013) 660,65
Rechtspraktikanten (kein Dienst,
sondern bloßes Ausbildungsverhältnis) 733,00
Justizanstalten: Vollzugsdirektion, 27 Jaen
Bedienstete insgesamt 3.586,53
Bewährungshilfe (ausgegliedert):
Beamte auslaufend 50,30
Personalstand (in VZK) per 1. 4. 2013, Basis: PM-SAP MIS Anzahlstatistik Stichtag
Personalstand
4. Rechtsberufe
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4.2. Allgemeines
Da unter Justiz meist nur die Vollziehung der Gesetze durch Gerichte verstanden wird, schreibt man
auf den ersten Blick dem Beruf des Richters in diesem Bereich die tragende Funktion zu. Durch
ihn übt der Staat die Rechtsfindung und Rechtsprechung in der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit aus.
Die Justiz bezeichnet aber nicht nur die (unabhängige) Rechtsprechung, sondern auch die Tätigkeit
der weisungsgebundenen Staatsanwälte, den Strafvollzug sowie alles, was zum Funktionieren
dieser Bereiche gehört, somit auch die Justizverwaltung. Zu diesen Leistungen der Justiz zählen
zusätzlich zur Gewährung von Rechtssicherheit und Sicherung von Rechtsfrieden im Sinne von
Rechtsstaatlichkeit u.a. auch Rechtsfürsorge- und Dienstleistungen wie beispielsweise Personensorge
und Parteienverkehr.
Um also eine Rechtsprechung gewährleisten zu können, die einerseits voll funktionsfähig ist und
andererseits die Rechte des einzelnen Staatsbürgers hinreichend wahrt, bedarf es der Mitwirkung
weiterer Organe der Rechtspflege. So ist es die Aufgabe des Staatsanwalts, im Namen des Staates
vor allem die öffentliche Anklage im Strafverfahren zu erheben. Seit 1. Jänner 2008 ist aufgrund einer
umfassenden Reform des Strafverfahrens der Staatsanwalt auch für die Führung des strafrechtlichen
Vorverfahrens zuständig. Ohne Antrag des Staatsanwalts kann in Österreich grundsätzlich
kein gerichtliches Strafverfahren eingeleitet werden (Grundsatz der öffentlichen Anklage, Offizialprinzip).
Eine Ausnahme stellen die sogenannten Privatanklagedelikte dar, die nur auf Verlangen
des Verletzten zu verfolgen sind.
Ebenso wichtig, wenn auch nicht zu den Rechtsberufen im engeren Sinn zählend, ist die Bedienstetengruppe
der Diplomrechtspfleger. Hierbei handelt es sich um besonders ausgebildete
Gerichtsbeamte, denen die Erledigung gesetzlich genau umschriebener Geschäfte der erstinstanzlichen
Gerichtsbarkeit in Zivilrechtssachen (z.B. Mahnverfahren, bestimmte Exekutionssachen,
Grundbuch, Verlassenschaft, Firmenbuch) übertragen ist.
Neben den Berufsbildern der Justiz zählt die Tätigkeit des Rechtsanwalts zu den klassischen
Rechtsberufen. Eine der wesentlichen Aufgaben des Rechtsanwalts ist es, die Interessen des
Beschuldigten im Strafprozess oder einer Partei im Zivilprozess umfassend wahrzunehmen. Er vertritt
seinen Mandanten auch vor anderen Behörden und wird allgemein als Rechtsberater tätig. Bei
allen höheren Gerichten und grundsätzlich auch bei den Bezirksgerichten ab höheren Streitwerten
besteht zum Schutz rechtsunkundiger Parteien und aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung
eine absolute Anwaltspflicht. Im Übrigen hat die Partei immer das Recht, einen Anwalt oder einen
Verteidiger beizuziehen.
Auch Notare sind in eingeschränktem Umfang zur Vertretung ihrer Mandanten vor Gericht befugt.
Im Rahmen der Justiz ist der Notar aber insbesondere als Gerichtskommissär von Bedeutung. Als
solcher wird er bei der Durchführung von Verlassenschaftsverfahren und bei öffentlichen Versteigerungen
tätig. Durch die Zuweisung der Beurkundungs- und Beglaubigungstätigkeit an die Notare
werden die Gerichte von Aufgaben entlastet, die nicht zur Rechtsprechung im eigentlichen Sinn
gehören. Dennoch können Beglaubigungen auch bei Gericht durchgeführt werden.
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Die Tätigkeitsbereiche der einzelnen Rechtsberufe sind so ausgeformt, dass sie sich gegenseitig
ergänzen, wobei die jeweiligen Kompetenzen und Aufgaben klar abgesteckt sind. Erst ein Zusammenwirken
aller ermöglicht eine Gerichtsbarkeit, wie sie das Gesetz vorsieht. Dem entspricht,
mit Ausnahme des Diplomrechtspflegers und des Strafvollzugsbeamten, die gleiche theoretische
Ausbildung. Die praktische Ausbildung ist zwar bei jedem Rechtsberuf verschieden, allerdings ist
auch hier das Erlangen eines Einblicks in die anderen Rechtsberufe in Form eines Praktikums
vorgesehen. So müssen Richteramtsanwärter bei einem Rechtsanwalt oder Notar oder bei der
Finanzprokuratur einen Ausbildungsdienst leisten und Rechtsanwälte und Notare im Zuge ihrer
Ausbildung eine Gerichtspraxis absolvieren. Für Rechtsanwaltsanwärter sind auch Praxiszeiten bei
einem Notar anrechenbar und umgekehrt. Während Richter, Staatsanwälte und Diplomrechtspfleger
in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehen, übt der Rechtsanwalt seine
Tätigkeit als freien Beruf aus. Die Tätigkeit des Notars ist insofern freiberuflicher Natur, als er – wie
der Rechtsanwalt – selbst das wirtschaftliche Risiko des Kanzleibetriebs trägt. Ein wesentlicher
Unterschied ergibt sich allerdings durch den öffentlichrechtlichen Charakter seiner Amtstätigkeit.
Soweit er als Gerichtskommissär tätig wird, ist er ein gerichtliches Organ.
In der Europäischen Union besteht für selbständige, freiberufliche Tätigkeiten Niederlassungs- und
Dienstleistungsfreiheit. Für Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind,
gilt die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit allerdings nicht. Da die Berufe des Richters, des
Staatsanwalts und des Diplomrechtspflegers Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen, sind sie auch
nach dem Beitritt Österreichs zum EWR und zur EU österreichischen Staatsbürgern vorbehalten.
Hingegen kann der Beruf des Rechtsanwalts und des Notars unter bestimmten Voraussetzungen
auch von einem Rechtsanwalt oder Notar ausgeübt werden, der Angehöriger eines Vertragsstaates
des EWR-Abkommens und dort als Rechtsanwalt oder Notar zugelassen ist.
4.3. Juristische Ausbildung
Allen Rechtsberufen (dies gilt nicht für die Berufe des Diplomrechtspflegers und des Justizwachebeamten)
ist gemeinsam, dass man zunächst das Studium der Rechtswissenschaften an einer
Universität in Österreich (Fakultäten in Wien, Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck) absolvieren
muss. Darauf folgen eine fünfmonatige Gerichtspraxis und die spezifische Berufsausbildung, die für
die einzelnen Rechtsberufe unterschiedlich gestaltet ist.
4.4. Rechtswissenschaftliches Studium
Voraussetzung für das Studium ist die Absolvierung der Reifeprüfung (Matura) an einer höheren
Schule und der Nachweis von Lateinkenntnissen. Das Studium gliedert sich in ein Diplomstudium
und in ein Doktoratsstudium. Nur das Diplomstudium ist Berufsvoraussetzung. Das Doktorat ist –
wenn man von der universitären Laufbahn absieht – keine Voraussetzung für die Ergreifung eines
juristischen Berufes. Für Rechtsanwaltsanwärter und Notariatskandidaten verkürzt sich aber durch
die Absolvierung des Doktoratsstudiums die Ausbildungszeit.
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Das Diplomstudium schließt mit dem akademischen Grad „Magister (Magistra) der Rechtswissenschaften“
ab. Das Doktoratsstudium setzt den Abschluss des Diplomstudiums der
Rechtswissenschaften voraus und soll die Befähigung zur selbständigen wissenschaftlichen Arbeit
auf dem Gebiet der Rechtswissenschaften weiterentwickeln. Das Doktoratsstudium wird mit dem
akademischen Grad „Doktor (Doktorin) der Rechtswissenschaften“ abgeschlossen.
4.5. Gerichtspraxis
Jeder Absolvent des Diplomstudiums hat einen Rechtsanspruch darauf, seine Berufsvorbildung
durch eine Tätigkeit als Rechtspraktikant bei einem Gericht fortzusetzen, sofern die Gerichtspraxis
gesetzlich als Berufs-, Ernennungs- oder Eintragungserfordernis vorgesehen ist. Tatsächlich absolvieren
nahezu alle Juristen nach Abschluss ihres Studiums eine Gerichtspraxis als Rechtspraktikant.
Die Zulassung zur Gerichtspraxis erfolgt durch Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts
für einen Zeitraum von fünf Monaten. Der Rechtspraktikant steht in einem Ausbildungsverhältnis
zum Staat und erhält für seine Tätigkeit einen sogenannten Ausbildungsbeitrag. Die Gerichtspraxis
kann an jedem Monatsersten angetreten und durch schriftliche Erklärung jederzeit unterbrochen
werden. Der Rechtspraktikant soll den Gerichtsbetrieb möglichst umfassend kennenlernen. Zu diesem
Zweck wird eine Zuteilung zu verschiedenen Gerichten vorgenommen; der Rechtspraktikant ist
zu konzeptiven Arbeiten, aber auch als Schriftführer einzusetzen.
Die Absolvierung der Gerichtspraxis setzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft voraus. Auch
Personen, die an einer ausländischen Hochschule ein rechtswissenschaftliches Studium erfolgreich
abgeschlossen haben, können zur Gerichtspraxis zugelassen werden, sofern sie der deutschen
Sprache so weit mächtig sind, dass sie dem Gang einer Gerichtsverhandlung folgen können.
4.6. Richter
Derzeit gibt es in Österreich rund 1.800 Berufsrichter (davon 63 beim Verwaltungsgerichtshof und
79 beim Asylgerichtshof).
Von ihnen zu unterscheiden sind die sogenannten Laienrichter, die keine juristische Ausbildung
brauchen und ehrenamtlich tätig werden. Zu diesen zählen einerseits die Schöffen und Geschworenen
im Strafprozess und andererseits fachmännische und fachkundige Beisitzer im handels- und
arbeitsrechtlichen Prozess.
Der Berufsrichter steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Neben den
Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes bildet das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz
die wesentliche Rechtsquelle für die Ausbildung und berufliche Stellung des Richters.
Die Berufsrichter werden auf Dauer ernannt und treten mit Ablauf des Jahres, in dem sie das 65.
Lebensjahr vollendet haben, in den Ruhestand.
Dem Richter obliegt die Rechtsprechung in der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit, aber auch in der
Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit als Kontrolle der Verwaltung und als Hüter der
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Verfassung. Der Richter ist gemäß Artikel 87 und 88 Bundes-Verfassungsgesetz bei der Rechtsfindung
und Rechtsprechung als unabhängiges Staatsorgan tätig. Diese Unabhängigkeit äußert sich
einerseits in der Weisungsungebundenheit der Richter (sachliche Unabhängigkeit) und andererseits
in ihrer Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit (persönliche Unabhängigkeit).
Der Richter ist nur an das Gesetz gebunden und entscheidet nach seiner eigenen Rechtsüberzeugung.
Er ist auch nicht an frühere Entscheidungen gleicher Rechtsfragen durch andere Gerichte
(Präjudizien) gebunden.
Eine Ausnahme besteht für die Justizverwaltungssachen (Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des
Justizbetriebs), in denen die Richter nur dann unabhängig sind, wenn diese in Senaten oder Kommissionen
zu erledigen sind (etwa Geschäftsverteilung, Besetzungsvorschläge). Sonst ist der
Richter hier an die Weisungen des Dienstvorgesetzten gebunden. Durch eine feste Geschäftsverteilung
wird das in der Verfassung verankerte Recht auf den gesetzlichen Richter gewahrt.
Ein Richter, der schuldhaft gegen seine Berufs- und Standespflichten verstößt, hat sich sowohl disziplinär
als auch gegebenenfalls strafgerichtlich zu verantworten. Zivilrechtlich kann ein Richter nur
dem Staat gegenüber haftbar werden. Parteien, die durch ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten
eines Richters einen Schaden erleiden, können diesen Anspruch nach den Bestimmungen
des Amtshaftungsgesetzes nur dem Staat gegenüber geltend machen.
Wer den Beruf des Richters anstrebt, muss sich um eine der vom Präsidenten eines Oberlandesgerichts
öffentlich ausgeschriebenen Planstellen eines Richteramtsanwärters bewerben. Die
Ernennung zum Richteramtsanwärter erfolgt durch die Bundesministerin für Justiz aufgrund eines
Vorschlags des Präsidenten des Oberlandesgerichts. Zur Aufnahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst
sind der Abschluss des Studiums, die österreichische Staatsbürgerschaft, die fachliche
und charakterliche sowie körperliche Eignung und die erforderlichen sozialen Fähigkeiten für den
Richterberuf sowie eine fünfmonatige Gerichtspraxis als Rechtspraktikant erforderlich. Bei der Entscheidung
über die Aufnahme werden auch die während der Gerichtspraxis mit der Ausbildung
des Aufnahmewerbers beauftragten Richter und der Leiter der Übungskurse für Rechtspraktikanten
gehört. Seit 1986 wird neben einer schriftlichen und einer mündlichen Prüfung auch eine psychologische
Eignungsuntersuchung, die von gerichtsunabhängigen Psychologen durchgeführt wird,
vorausgesetzt.
Mit der Ernennung zum Richteramtsanwärter erfolgt die Aufnahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst,
der grundsätzlich vier Jahre dauert. Die Zeit der Gerichtspraxis als Rechtspraktikant
ist in diese Ausbildungszeit einzurechnen. Der Ausbildungsdienst ist beim Bezirksgericht und
beim Gerichtshof erster Instanz, bei einer Staatsanwaltschaft, bei einer Vollzugsanstalt und bei
einem Rechtsanwalt oder Notar oder bei der Finanzprokuratur sowie bei einer Opferschutz- oder
Fürsorgeeinrichtung zu leisten. Am Ende dieser Ausbildung steht die Richteramtsprüfung. Sie ist
schriftlich und mündlich abzulegen. Nach bestandener Richteramtsprüfung und einer vierjährigen
Rechtspraxis kann sich der Anwärter um eine freie Richterplanstelle bewerben. Die Ernennung zum
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Richter aufgrund von Vorschlägen der zuständigen Personalsenate erfolgt auf Dauer und steht dem
Bundespräsidenten zu, der dieses Recht allerdings für den Großteil der Richterstellen der Bundesministerin
für Justiz übertragen hat.
4.7. Staatsanwalt
Die Staatsanwaltschaft ist ein selbständiges, von den Gerichten getrenntes Organ der Gerichtsbarkeit,
das die Interessen des Staates in der Rechtspflege zu wahren hat. Die Staatsanwälte sind
als Organe der Gerichtsbarkeit in der Verfassung (Artikel 90a B-VG) verankert. Zu ihren wichtigsten
Aufgaben zählen die Erhebung und Vertretung der öffentlichen Anklage und die Führung des
Ermittlungsverfahrens im Strafprozess. Dies regelt das Staatsanwaltschaftsgesetz. Im Gegensatz
zum Richter ist die Staatsanwaltschaft als Verwaltungsbehörde an die Weisungen der vorgesetzten
Behörde gebunden. Ihre Geschäfte werden beim Gerichtshof erster Instanz vom Staatsanwalt,
beim Oberlandesgericht vom Oberstaatsanwalt und beim Obersten Gerichtshof vom Generalprokurator
besorgt. Oberstaatsanwaltschaften und Generalprokuratur unterstehen jeweils nur dem
Bundesministerium für Justiz. Der Generalprokurator hat keine Weisungsbefugnis gegenüber dem
Oberstaatsanwalt oder Staatsanwalt. Derzeit gibt es in Österreich etwa 340 Staatsanwälte.
Zum Staatsanwalt kann grundsätzlich nur ernannt werden, wer die Ernennungserfordernisse für
das Richteramt erfüllt und eine zumindest einjährige Praxis als Richter bei einem Gericht oder als
Staatsanwalt aufweist. Wie Richterplanstellen werden auch diese Planstellen öffentlich zur Besetzung
ausgeschrieben. Die Ernennung erfolgt auf Vorschlag einer Personalkommission durch den
Bundespräsidenten, der jedoch für die meisten Staatsanwaltsplanstellen das Ernennungsrecht an
die Bundesministerin für Justiz delegiert hat.
Der Staatsanwalt steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und vertritt das
öffentliche Interesse im Namen des Staates als vom Gericht unabhängiges Organ der Rechtspflege.
Im Strafprozess ist er als Träger der Anklage formale Prozesspartei, jedoch zur absoluten Objektivität
gegenüber jedermann verpflichtet. Er muss belastenden und entlastenden Umständen mit
gleicher Sorgfalt nachgehen. Der Staatsanwalt leitet das Ermittlungsverfahren und kann dabei der
Kriminalpolizei Beweisaufnahmen auftragen. Er gewährt und trifft Anordnungen. Jeder Verfahrensbeteiligte,
der sich durch eine Anordnung des Staatsanwaltes beschwert erachtet, kann das Gericht
anrufen.
Verstößt ein Staatsanwalt schuldhaft gegen die Berufs- und Standespflichten, so ist er einer beim
Bundesministerium für Justiz eingerichteten Disziplinarkommission gegenüber verantwortlich. Die
Strafkompetenz dieser Kommission reicht bis zur Entlassung aus dem Dienstverhältnis. Daneben
ist der Staatsanwalt auch strafrechtlich verantwortlich. Zivilrechtlich kann er wie der Richter nur vom
Staat und nicht von den Beteiligten des Verfahrens belangt werden. Diesen steht nur ein Amtshaftungsanspruch
gegen den Staat zu.
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4.8. Rechtsanwalt
4.8.1. Allgemeines
Anders als der Richter oder Staatsanwalt wird der Rechtsanwalt freiberuflich tätig. Er übt seinen
Beruf wirtschaftlich selbständig im Rahmen einer eigenen Kanzlei oder in einer Kanzleigemeinschaft
mit einem oder mehreren Kollegen aus. Es bedarf keiner Ernennung durch eine Behörde,
sondern nur der Eintragung in die Rechtsanwaltsliste. Die wichtigste gesetzliche Grundlage für die
Berufsausübung ist die Rechtsanwaltsordnung. Daneben bestehen zahlreiche Richtlinien, die der
Rechtsanwalt zu beachten hat.
In Österreich gibt es für jedes Bundesland eine Rechtsanwaltskammer, die auf Bundesebene
im Österreichischen Rechtsanwaltskammertag zusammengefasst sind. Die Kammern sind Körperschaften
des öffentlichen Rechts und autonome Selbstverwaltungskörper zur Wahrung der
Interessen des Berufsstandes gegenüber dem Staat. In Österreich gibt es derzeit mehr als 5.800
Rechtsanwälte.
4.8.2. Tätigkeitsbereich
Der Rechtsanwalt ist zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen,
in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten vor allen Gerichten und Behörden
Österreichs befugt. Daneben wird er als Rechtsberater in den verschiedensten Rechtsangelegenheiten,
als Vertragsverfasser oder als Vermögensverwalter tätig. Der elektronische Rechtsverkehr
mit den Gerichten ermöglicht eine direkte Eingabe (etwa von Mahnklagen) in automatisierter Form.
Daneben kann in der Anwaltskanzlei (wie beim Notar) sowohl das Grundbuch als auch das Firmenbuch
abgefragt werden.
Der Rechtsanwalt ist zur Wahrung der Interessen seines Mandanten verpflichtet. Aus diesem Grund
unterliegt er einer gesetzlich geschützten Verschwiegenheitspflicht und einem strengen Disziplinarrecht.
Für die schuldhafte Verletzung seiner Pflichten haftet er mit seinem gesamten Vermögen,
erweitert durch eine Vermögenshaftpflichtversicherung, deren Abschluss vor Eintragung in die Liste
der Rechtsanwälte nachzuweisen ist. Bei der Rechtsanwalts-GmbH wird die fehlende persönliche Haftung
der Gesellschafter durch eine wesentlich höhere Mindestversicherungssumme ausgeglichen.
Der Rechtsanwalt erhält für seine Tätigkeit ein Honorar, das der freien Vereinbarung unterliegt. Das
Rechtsanwaltstarifgesetz stellt allerdings Tarifsätze für die Vertretung vor Gericht auf, die vor allem
für den Kostenersatz im Zivilverfahren und im Strafverfahren über eine Privatanklage von Bedeutung
sind. Daneben bestehen Autonome Honorar-Kriterien, die als Orientierung herangezogen und
auch vereinbart werden können. Die Angemessenheit von Honorarforderungen kann vom Kostensenat
der Rechtsanwaltskammern überprüft werden.
Ein Rechtsanwalt, der als Verfahrenshilfeanwalt tätig wird, erhält dafür kein Honorar, sondern
hat lediglich Anspruch auf Ersatz der nötigen Barauslagen durch den Staat. Für die Tätigkeit der
Rechtsanwälte im Rahmen der Verfahrenshilfe leistet der Bund der Rechtsanwaltschaft jährlich eine
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angemessene Pauschalvergütung, die für die Altersversorgung der Rechtsanwälte verwendet wird.
Für den Beruf des Rechtsanwalts ist eine fünfjährige rechtsberufliche Tätigkeit erforderlich, wovon
mindestens fünf Monate bei Gericht als Rechtspraktikant und mindestens drei Jahre bei einem
österreichischen Rechtsanwalt als Rechtsanwaltsanwärter zu absolvieren sind. Die Rechtsanwaltsprüfung
kann nach drei Jahren praktischer Verwendung abgelegt werden, sofern der Anwärter
nachweist, dass er an den von den Rechtsanwaltskammern vorgeschriebenen Ausbildungen teilgenommen
hat.
4.9. Notar
Der Notar übt ein öffentliches Amt aus. Die Ernennung zum Notar ist ein hoheitlicher Akt und erfolgt
auf einen bestimmten Amtssitz. Der Notar ist aber kein Beamter, weil er in keinem Dienstverhältnis
zum Bund steht. Da er das wirtschaftliche Risiko des Kanzleibetriebs selbst trägt, ist seine Tätigkeit
freiberuflicher Natur. Nur als Gerichtskommissär ist er ein gerichtliches Organ.
Notariatsstellen werden von der Bundesministerin für Justiz mit einem bestimmten Amtssitz errichtet.
Derzeit bestehen 495 Notariatsstellen in Österreich. Die Notare eines Bundeslandes (teilweise
auch mehrerer Bundesländer) bilden gemeinsam mit den Notariatskandidaten ein Notariatskollegium.
Wie bei den Rechtsanwaltskammern handelt es sich um Körperschaften des öffentlichen
Rechts. Daneben gibt es die Österreichische Notariatskammer, der alle von den Notariatskollegien
gewählten Notariatskammern Österreichs angehören und die zur Wahrung der Rechte und Angelegenheiten
des österreichischen Notariats sowie zu seiner Vertretung berufen ist.
Wichtigste gesetzliche Grundlage für die Berufsausübung von Notaren sind die Notariatsordnung
und das Gerichtskommissärsgesetz. Daneben gibt es zahlreiche Richtlinien, die der Notar bei sonstiger
disziplinärer Verantwortung zu beachten hat.
Drei Tätigkeitsgruppen bilden den gesetzlich bestimmten Wirkungskreis der Notare:
-- Errichtung öffentlicher Urkunden, Verwahrung von Fremdgut und Beurkundung von Vorgängen
(z. B. Verlosungen, Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften),
-- Verfassen von Privaturkunden und Parteienvertretung sowie
-- die allein dem Notar obliegenden Amtshandlungen als Beauftragter des Gerichts im außerstreitigen
Verfahren.
Insbesondere wird er als Gerichtskommissär für Verlassenschaften herangezogen.
Die Hauptaufgabe des Notars als unabhängiges und unparteiisches Organ der vorsorgenden
Rechtspflege liegt in der Rechtsbetreuung der Bevölkerung. Seine Mitwirkung an Rechtsvorgängen
dient der Rechtssicherheit und Streitverhütung. Der amtliche Charakter als Urkundsperson
soll gewährleisten, dass dem Grundsatz einer öffentlichen Urkundserrichtung entsprochen wird.
Gleichzeitig werden durch die Zuweisung der Beurkundungstätigkeit an die Notare die Richter von
Aufgaben entlastet, die nicht zur Rechtsprechung im eigentlichen Sinn gehören.
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Notare stehen wegen ihrer Aufgaben als Errichter von öffentlichen Urkunden und als Gerichtskommissäre
unter besonderer Kontrolle. Die Aufsicht über das Notariat obliegt der Bundesministerin
für Justiz, der Justizverwaltung und unmittelbar den Notariatskammern.
Die Disziplinargewalt üben bei Disziplinarvergehen das Oberlandesgericht und der Oberste
Gerichtshof als Disziplinargerichte für Notare, bei Ordnungswidrigkeiten die Notariatskammer und
der Ständige Ausschuss der Österreichischen Notariatskammer aus. Daneben ist der Notar sowohl
zivil- als auch strafrechtlich verantwortlich. Der Notar hat vor Aufnahme seiner Tätigkeit eine Haftpflichtversicherung
nachzuweisen.
Wer den Beruf als Notar anstrebt, muss nach Abschluss des Studiums und einer fünfmonatigen
Gerichtspraxis bei einem Notar ein Angestelltenverhältnis aufnehmen und in das bei der Kammer
geführte Verzeichnis der Notariatskandidaten eingetragen werden. Die Eintragung in die Liste ist nur
dann zulässig, wenn der Betreffende bei der erstmaligen Eintragung in das Kandidatenverzeichnis
das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Voraussetzung für die Zulassung zu der Notariatsprüfung ist die Teilnahme an den für Notariatskandidaten
verbindlichen Ausbildungsveranstaltungen. Die Notariatsprüfung besteht aus zwei
Teilprüfungen, die jeweils schriftlich und mündlich abgehalten werden. Die erste Teilprüfung kann
nach einer Praxis als Notariatskandidat im Ausmaß von eineinhalb Jahren abgelegt werden, die
zweite Teilprüfung nach einer weiteren Praxis von mindestens einem Jahr. Neben der erfolgreichen
Absolvierung der Notariatsprüfung ist zur Erlangung einer Notarstelle eine siebenjährige rechtsberufliche
Verwendung, davon mindestens drei Jahre als Notariatskandidat nach Ablegung der
Notariatsprüfung, erforderlich.
Die Erfüllung aller Voraussetzungen gibt aber noch kein Recht auf Ernennung zum Notar. Sie ist
eine Ermessensentscheidung der Bundesministerin für Justiz auf der Grundlage von Besetzungsvorschlägen.
Frei gewordene oder neu geschaffene Notarstellen sind vor Besetzung öffentlich
auszuschreiben. Das Notarenamt kann bis zum 70. Lebensjahr ausgeübt werden.
4.10. Diplomrechtspfleger
Die derzeit rund 670 Diplomrechtspfleger (Vollzeitkapazitäten) sind in Österreich eine unverzichtbare
Säule der Gerichtsbarkeit. Bereits mehr als drei Viertel aller Entscheidungen bei Österreichs
Bezirksgerichten werden von Diplomrechtspflegern getroffen.
Diplomrechtspfleger sind besonders ausgebildete und geprüfte Gerichtsbeamte, denen zur Entlastung
der Richter aufgrund des Bundes-Verfassungsgesetzes und des Rechtspflegergesetzes die
Erledigung bestimmter Geschäfte der Zivilgerichtsbarkeit erster Instanz überlassen wird. Sie sind
an die Weisungen des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richters gebunden; dieser kann
sich auch jederzeit die Erledigung der Rechtssache vorbehalten oder diese an sich ziehen. Diplomrechtspfleger
können nur Beschlüsse fällen. Dem dagegen erhobenen Rekurs kann der Richter
selbst stattgeben; darüber hinaus besteht das Rechtsmittel der Vorstellung an den Richter.
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Der Wirkungsbereich des Diplomrechtspflegers umfasst unter anderem das Mahnverfahren, die
Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit von richterlichen Entscheidungen in seinem
Arbeitsgebiet, die Entscheidung über Verfahrenshilfeanträge im Rechtspflegerverfahren und die
Vornahme von Amtshandlungen aufgrund eines Rechtshilfeersuchens eines inländischen Gerichts
oder einer inländischen Behörde.
Besonders umfangreich ist die Tätigkeit des Diplomrechtspflegers im Exekutionsverfahren und im
Privatkonkurs. Dazu kommt die Führung von Grundbuch und Firmenbuch. Weitere Tätigkeitsbereiche
liegen im Verlassenschafts- und Pflegschaftsverfahren (Außerstreitsachen).
Die Bestellung zum Diplomrechtspfleger kann für eines oder mehrere dieser Arbeitsgebiete erfolgen.
Jedes dieser Arbeitsgebiete erfordert eine gesonderte Ausbildung und eine gesonderte Bestellung
zum Diplomrechtspfleger auf diesem Gebiet.
Zur Ausbildung als Diplomrechtspfleger werden nur Gerichtsbedienstete zugelassen, die die Matura
oder eine Beamtenaufstiegsprüfung abgelegt, zwei Jahre lang in einer Gerichtskanzlei gearbeitet
und die Gerichtskanzleiprüfung sowie die Fachdienstprüfung absolviert haben. Die Ausbildung dauert
drei Jahre und umfasst die Tätigkeit bei Gericht mit der Vorbereitung von Erledigungen auf dem
angestrebten Arbeitsgebiet, die Teilnahme an einem Grund- und einem Arbeitsgebietslehrgang und
die positive Ablegung einer Prüfung auf diesen Gebieten. Nach der bestandenen Diplomrechtspflegerprüfung
erhält der Diplomrechtspflegeranwärter von der Bundesministerin für Justiz ein Diplom.
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4.11. Frauenförderung
Zwecks Ausweitung der Präsenz von Frauen vor allem im akademischen Bereich der Justiz wurde
1993 mit dem Bundes-Gleichbehandlungsgesetz die Rechtsgrundlage geschaffen, um im gesamten
Bundesdienst Gleichbehandlungsbeauftragte und Kontaktfrauen einzusetzen. Dieses Gesetz
schuf zugleich die rechtliche Basis für weitere strukturelle Maßnahmen, um die tatsächliche Unterrepräsentation
von Frauen zu beseitigen. Die Frauenförderungspläne beschreiben die konkreten
Maßnahmen zur Verwirklichung von Gleichbehandlung und Frauenförderung.
Der Frauenanteil im Bereich der Richter und Staatsanwälte beträgt bereits jeweils über 50 Prozent.
Der Anteil an Frauen in Leitungsfunktionen bei Gerichten, Staatsanwaltschaften und im Bundesministerium
für Justiz stieg in den letzten Jahren kontinuierlich auf mehr als 35 Prozent an. Im
Bereich des richterlichen Nachwuchses beträgt dieser nahezu 70 Prozent.