A2: Bericht Evaluierung des Falles Natascha K
A2: Bericht Evaluierung des Falles Natascha Kampusch Text Download Links
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Persönlicher Hinweis:
Maschinelle Textspeicherung ohne jegliche Gewähr - teilweise händisch "geglättet" für Suchfunktionen und ergänzt mit Seitenangabe in großer Schrift am Beginn jeder Seite.
Persönliche Anmerkung am Beginn jeder Seite hinzugefügt:
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE ...:
BERICHT
DER VON DER BUNDESMINISTERIN FÜR INNERES
UND DER BUNDESMINISTERIN FÜR JUSTIZ ZUR
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K.
EINGESETZTEN KOMMISSION BAND II
SEITE 1-95
1 BILD-ANHANG zur Dokumentation und zum Beweis:
2013 April BERICHT EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA KAMPUSCH BAND I.jpg
BAND IIxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 1:Bericht
der von der Bundesministerin für Inneres
und der Bundesministerin für Justiz zur
Evaluierung des Falles Natascha K.
eingesetzten
Kommission
Band II
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 2:Impressum:
Bundesministerium für Inneres
Herrengasse 7, 1014 Wien
Projektkoordinatoren:
Dr. Herbert Anderl
Mag. Christian Pilnacek
Grafik (Deckblatt):
Abteilung I/8
Druck:
Digitalprintcenter des BM.I
Herrengasse 7, 1014 Wien
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 3:Inhaltsverzeichnis
Band II
I. Detailanalyse ………………………………………….……….. Seiten 4 - 95
II. Anhang ………………………………………………….……… Seiten 96 - 122
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 4:Detailanalyse
1. Ermittlungsfehler vor und in zeitlichem Zusammenhang mit der Selbstbefreiung
von Natascha K.
1.1. Was den Selbstmord des Wolfgang P. anlangt, so gab der die Obduktion
durchführende Gerichtsmediziner in seiner Einvernahme vor dem
Unterausschuss an, dass kein Hinweis auf Mord vorgelegen sei. Er wies aber
darauf hin, dass die Leiche des Wolfgang P. bei seinem Eintreffen in unüblicher
Weise nicht mehr in der Ausgangslage vorgefunden wurde, vielmehr lag sie
bereits in einem Leichensack. Eine umfassende toxikologische Untersuchung
wurde aufgrund der dem Gerichtsmediziner eröffneten Vorgeschichte, dass es
sich bei dem Toten um einen polizeilich verfolgten Kindesentführer handle, der
sich das Leben genommen habe, nicht vorgenommen. Weiters ist zu bemerken,
dass in den Akten keine mit dem Zugbegleiter aufgenommene Niederschrift
vorhanden ist.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der SOKO Burgenland, GZ P-xx/02 VS
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Dienstanweisung der BPD Wien und des LPK Wien vom 5.1.2010, AZ:
P4/xxxx/1/2010, „Verkehrsunfälle beim Betrieb von Eisenbahnen etc. (aber auch U-
Bahnen)“
. Ergänzende Befragung des Polizisten E2 des Verkehrsunfallkommandos der LPD
Wien am 24.9.2012 durch das Evaluierungsteam
. Wiener Feuerwehrgesetz
. Auskunft der Magistratsabteilung 68
. Ergänzende Befragung des Gerichtsmediziners Dr. R7 am 17.12.2012 durch das
Evaluierungsteam
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 5:. Ergänzende Befragung des Triebwagenführers M4 am 14.2.2013 durch das
Evaluierungsteam
. Befragung des Zugführers H7 am 18.2.2013 durch das Evaluierungsteam
Sachverhalt:
Am 23.8.2006, gegen 20.50 Uhr, wurde eine zunächst unbekannte Person vom Zug xxxxx,
Schnellbahn 4020 118-8, am Gleis 1 des Gleises 266, km 0,9, auf Höhe Signal R6, der
Strecke Wien-Nord – Bernhardsthal, nach dem Ausfahren aus der Haltestelle Wien-Nord in
Fahrtrichtung Bahnhof Floridsdorf überrollt und dabei tödlich verletzt.
Unmittelbar danach wurden der Bahnhof Wien-Nord und die Zugleitstelle vom
offensichtlichen Selbstmord einer vorerst unbekannten männlichen Person verständigt.
Die Aufnahme des Vorfalls wurde vom Polizisten E2 des Verkehrsunfallkommandos,
Landesverkehrsabteilung der BPD Wien, der gegen 21.30 Uhr am Tatort eintraf,
durchgeführt.
Der Tatort wurde durch die bereits anwesende Streife „Txxxxxx 8“ gesichert.
Der Tod des Unbekannten war durch den intervenierenden Arzt mit der Dienstnummer xxx
des „Roten Kreuzes Landstraße“ festgestellt worden und als Todeszeitpunkt wurde der
Moment des Überrollens festgehalten. Eine oberflächliche Durchsuchung der Taschen der
Kleidung des Unbekannten wurde vom Arzt durchgeführt, dabei wurden ein Schlüssel mit
einem „BMW“-Emblem und zwei auf einem Ring zusammengefasste Schlüssel vorgefunden.
Eine weitere Durchsuchung konnte aufgrund der Lage der Leiche nicht durchgeführt werden,
eine Klärung der Identität des Toten blieb vorerst aus.
Nach Dokumentation der Lage am Tatort (Lichtbilder und Festhaltung der Endstellung des
Zuges und der Lage der Leiche) wurde aufgrund einer sehr begrenzten Zugangsmöglichkeit
zur Leiche der Zug durch einen Ersatzlokführer vom Vorfallsort weggefahren, um eine
Bergung zu ermöglichen.
Bei der anschließend durchgeführten Durchsuchung der Leiche durch den Polizisten E2
wurden keine weiteren Gegenstände mehr vorgefunden, deshalb war die Identität des
Leichnams zu diesem Zeitpunkt noch immer ungeklärt.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 6:Die Leiche wurde daraufhin von der Feuerwehr geborgen und in einem Leichensack
abgelegt. Anschließend wurde das Gleis 1 nach Rücksprache mit der Einsatzleitung der
ÖBB wieder freigegeben.
Die nun ebenfalls am Tatort eingetroffenen Beamten des Streifenwagens „Txxxxxx 7“, die
von der Fahndung Kenntnis gehabt haben dürften, wiesen auf die Ähnlichkeit des Leichnams
mit dem Flüchtigen Wolfgang P. hin. Der Polizist E2 verständigte aus diesem Grund die KD
1, LKA Wien, und die Aufnahme des Selbstmordes wurde in weiterer Folge als „Polizeiliche
Kommissionierung“ durchgeführt.
Gegen 22.30 Uhr wurde der Verdacht, dass es sich bei der Leiche um Wolfgang P. handeln
könnte, der SOKO Burgenland mitgeteilt.
Mit dem Triebwagenführer M4 wurde um 23.10 Uhr eine niederschriftliche Einvernahme
durchgeführt, wobei dieser angab, dass er eine helle Gestalt wahrgenommen habe, die sich
auf den Gleiskörper zubewegt und auf die Schienen gelegt habe. Weitere Personen habe er
nicht bemerkt. Er habe eine Schnellbremsung durchgeführt und kurz vor dem Zum-Stillstand-
Kommen einen Anprall bemerkt. Der Zugführer sei nach dem vollständigen Stillstand des
Zuges zu ihm nach vorne in den Führerstand gekommen.
Die Sperrprobe der beim Leichnam aufgefundenen Fahrzeugschlüssel verlief beim BMW von
Wolfgang P., Kz W-4xxxxx, positiv, wodurch sich der Verdacht hinsichtlich der
wahrscheinlichen Identität des Selbstmörders erhärtete. Der BMW war im Zuge der
Fahndung im Parkhaus des Shopping Centers „Donauzentrum“ in 1220 Wien geparkt
festgestellt worden und stand zu diesem Zeitpunkt dort noch unter Observation. Von StA
Mag. K11 wurde um 23.15 Uhr die Beschlagnahme der Leiche und die Obduktion durch die
Gerichtsmedizin Wien beantragt und vom LGSt Wien angeordnet.
Um 24.00 Uhr traf die Tatortgruppe xx der KD 3, LKA Wien, am Tatort ein und führte die
weitere Tatortarbeit durch.
Mit der Polizeilichen Kommissionierung durch die Kriminaldirektionen 1 und 3, Leitung Frau
OR Mag. S13, wurde bis zum Eintreffen des Gerichtsmediziners Dr. R7 (gegen 00.10 Uhr)
zugewartet und schließlich um 00.30 Uhr begonnen. Die Messung der Körpertemparatur
(rektal) wurde aufgrund der Lage des Leichnams im Freien und des bereits mehr als drei
Stunden zurückliegenden Ablebens nicht durchgeführt, da dies in einem solchen Falle nicht
vorgesehen und auch nicht zielführend ist.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 7:Nach Abschluss der Polizeilichen Kommissionierung wurde die Leiche um 01.10 Uhr durch
die Städtische Bestattung Wien in das Department für Gerichtliche Medizin in 1090 Wien,
Sensengasse, verbracht.
Eine Erstidentitätsfeststellung wurde im Rahmen der noch am 24.8.2006 zwischen 00.35
und 04.40 Uhr durchgeführten Einvernahme mit H8 durch Vorzeigen eines Lichtbildes
durchgeführt. H8 gab an, dass es sich bei der Leiche eindeutig um Wolfgang P. handle.
Die Obduktion wurde am 24.8.2006 von 08.30 bis 12.00 Uhr durchgeführt, wobei Beamte der
Tatortgruppe auch Finger- und Handflächenabdrücke anfertigten. Die Identität des
Leichnams wurde schließlich durch die Gerichtsmedizin mittels DNA-Überprüfung bestätigt.
Durch das Department für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Wien wurden
Blut und Harn auf den Gehalt an Ethylalkohol untersucht, sowie eine immunochemische
Untersuchung hinsichtlich verschiedener Suchtgifte und Medikamente durchgeführt. Weiters
wurde eine virologische Untersuchung betreffend Hepatitis und HIV durchgeführt. Alle
Untersuchungen erbrachten ein negatives Ergebnis.
Am 17.12.2012 wurde der Gerichtsmediziner Dr. R7 von Mitgliedern des Evaluierungsteams
ergänzend befragt.
Dabei gab dieser an, dass es für ihn nichts Ungewöhnliches bei der Untersuchung der
Leiche des Wolfgang P. gegeben hätte. Er habe auch keine dahingehenden Aussagen beim
geheimen Untersuchungsausschuss getätigt.
Hinsichtlich einer Temperaturmessung der Leiche des Wolfgang P. führte der
Gerichtsmediziner Dr. R7 aus, dass von ihm bei Leichen, die im Freien aufgefunden werden,
keine Körpertemperaturmessung (rektal) durchgeführt wird, da dies – aufgrund zu großer
Umwelteinflüsse – keine eindeutige Aussagerelevanz habe.
Eine Lebertemperaturmessung werde in Österreich überhaupt nicht durchgeführt, da dies
bereits einen Eingriff im Sinne einer Obduktion darstellen würde.
Am 14.2.2013 wurde der Triebwagenführer M4 von Mitgliedern des Evaluierungsteams
ergänzend befragt. Dabei bestätigte er im Wesentlichen seine damaligen niederschriftlichen
Angaben und gab darüber hinaus an, er könne sich an den Vorfall noch genau erinnern.
Damals habe er gesehen, wie sich eine Person auf die Schienen gelegt habe. Weit und breit
sei kein anderer Mensch zu sehen gewesen.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 8:Der am 18.2.2013 durch Mitglieder des Evaluierungsteam befragte Zugführer H7 gab
seinerseits an, dass er am 23.8.2006 als Zugführer eingesetzt gewesen sei. Er habe sich bei
den Passagieren in einem Waggon des Zuges befunden, als plötzlich eine Notbremsung
erfolgt sei. Nach Stillstand des Zuges sei er nach vorne zum Triebwagenführer (M4)
gegangen und habe sich bei diesem über den Grund der Notbremsung erkundigt. Dieser
teilte ihm mit, dass etwas „Helles“ vor dem Zug auf den Geleisen gelegen sei. Da sich dieses
bewegt habe, wurde von M4 eine Notbremsung eingeleitet. Durch die Verringerung der
Fahrgeschwindigkeit habe der Triebwagenführer unmittelbar vor dem Überrollen sehen
können, dass es sich dabei um eine Person gehandelt habe. Vorschriftsgemäß sei M4 im
Steuerstand verblieben und er selbst sei daraufhin ausgestiegen, habe nachgesehen und
dabei eine augenscheinlich tote Person mit beinahe abgetrenntem Kopf unter dem Zug
wahrgenommen. Anschließend sei er wieder zum Triebwagenführer gegangen und habe
diesem den Sachverhalt mitgeteilt. Dieser habe zwischenzeitlich bereits die Verständigung
der Rettungskräfte und der Polizei durchgeführt. Auf Nachfrage des Evaluierungsteams gab
H7 an, dass er selbst den unmittelbaren Vorfall des Suizids nicht beobachtet habe, da er sich
zu diesem Zeitpunkt im hinteren Bereich des Zuges bei den Passagieren befunden habe.
Einen Zusammenhang dieses Vorfalles mit der Sache Natascha K. habe er erst später selbst
hergestellt, als er einige Stunden danach aus den Medien erfahren habe, dass sich der
Entführer der Natascha K. vor einen Zug gelegt und Selbstmord begangen habe.
Schlussfolgerung:
Die Vorgangsweise bis zur Übernahme der Amtshandlung im Sinne einer „Polizeilichen
Kommissionierung“ ist in der Dienstanweisung „Verkehrsunfälle beim Betrieb von
Eisenbahnen etc. (aber auch U-Bahnen)“ so vorgesehen (siehe folgenden Auszug aus der
Dienstanweisung der BPD Wien vom 5.1.2010), also nicht als unüblich einzustufen.
Die vor der aktuellen Dienstanweisung geltenden Dienstanweisungen, insbesondere im Jahr
2006, waren zufolge Auskunft des Büros für Organisation, Controlling und Interne Revision,
BPD Wien, gleichlautend.
Auszug aus der Dienstanweisung AZ P4/xxxx/1/2010 v. 5.1.2010 der BPD Wien:
In Punkt II.4. „Grundsätzliches“, Seite 8, werden die Beamten angewiesen, jede nicht
unbedingt notwendige Störung oder Verzögerung des Betriebes eines öffentlichen
Verkehrsmittels durch die polizeiliche Amtshandlung zu vermeiden.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 9:Unter IV.5. „Verkehrsunfälle beim Betrieb von Eisenbahnen etc. (aber auch U-Bahnen)“,
Seite 32, wird angeordnet, dass mit der Entsendung eines Funkwagens auch das
Verkehrsunfallkommando zu verständigen und zu entsenden ist. Die Dokumentation des
Vorfalles (zB fotografische Darstellung, maßstabsgetreue Skizzierung des Bergungsortes der
verunfallten Person sowie deren letzten Standortes vor dem Unfall bzw. Selbstmord/-
versuch, Ersichtlichmachen von Beschädigungen udgl) erfolgt gleichfalls durch das
Verkehrsunfallkommando. Analog der Regelung bei Verkehrsunfällen wird die Leiche in
weiterer Folge von der Rettung bzw. der Bestattung Wien GmbH grundsätzlich in die
Pathologie des Allgemeinen Krankenhauses verbracht, wo unverzüglich eine „Kleine
Kommissionierung“ zu erfolgen hat.
Die Durchführung einer kriminalpolizeilichen Leichenbeschau vor Ort ist nur dann
erforderlich, wenn von Zeugen oder Beteiligten des Vorfalles Verdachtsmomente hinsichtlich
Fremdverschuldens geäußert werden oder sich im Zuge der Amtshandlung diesbezügliche
Hinweise ergeben. Diesfalls ist der Treffpunkt für das Zusammentreten der polizeilichen
Kommission der Vorfallsort. Auch dann ist jedoch auf eine möglichst kurzfristige
Beeinträchtigung des Betriebes des öffentlichen Verkehrsmittels Bedacht zu nehmen.
Die Vorgangsweise der erhebenden Beamten entsprach somit den einschlägigen
Rechtsvorschriften. Nachdem ab ca. 22.30 Uhr Hinweise bestanden, dass es sich bei dem
Selbstmörder um Wolfgang P. handeln könnte, wurde unverzüglich eine Polizeiliche
Kommissionierung durchgeführt.
Die Bergung des Leichnams durch die Feuerwehr Brigittenau wurde als Unterstützung der
Bestattung Wien durchgeführt, da diese keine Bergungen von Leichen auf Gleiskörpern
durchführte und auch jetzt nicht durchführt. Die Bergung von Leichen durch die Feuerwehr
aus Gefahrenbereichen, wie hier auf Gleiskörpern, ist in der Geschäftseinteilung des
Magistrates der Stadt Wien (MA 68) geregelt. Weiters ist die Bergung von Leichen im § 15
Punkt 2 des Wiener Feuerwehrgesetzes angeführt.
Eine niederschriftliche Befragung des Zugführers (Zugbegleiter/Schaffner) wurde vom
aufnehmenden Polizisten nicht durchgeführt, da es sich nicht um einen unmittelbaren
Zeugen handelte. Der Zugführer hielt sich offensichtlich zum Zeitpunkt des Vorfalles im
Fahrgastbereich auf, wie auch aus der Niederschrift mit dem Triebwagenführer (Lokführer)
und dessen ergänzender Befragung hervorgeht. Dies wird durch die nachträgliche Befragung
des Zugführers durch das Evaluierungsteam bestätigt.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 10:Durch die niederschriftliche Einvernahme des Triebwagenführers M4 ergaben sich keinerlei
Hinweise auf die Beteiligung eines Dritten im Zusammenhang mit dem Tod von Wolfgang P.
Es fand eine der Situation entsprechende Obduktion der Leiche von Wolfgang P. statt, diese
umfasste auch toxikologische Untersuchungen. Für eine über den erfolgten Umfang
hinausgehende toxikologische Untersuchung bestand kein Anlass.
Die Vorgangsweise der Polizeibeamten entsprach somit den einschlägigen
Rechtsvorschriften und ist nicht als unüblich zu bezeichnen. Eine Vernehmung des
Zugführers (Zugbegleiters) wäre erst nach Aufkommen der Gerüchte über ein mögliches
Fremdverschulden am Tod des Wolfgang P. indiziert gewesen.
Im Übrigen gab der Gerichtsmediziner bei einer Befragung durch das Evaluierungsteam an,
nie eine Aussage getätigt zu haben, wonach die Situation beim Auffindungsort „unüblich“
gewesen sei.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 11:1.2. Auffallend ist, dass im Zuge der Ermittlungen, gleichgültig ob diese bis Ende
2007 vom Untersuchungsrichter oder in der Folge von der Staatsanwaltschaft
geführt wurden, in ganz besonders geringem Ausmaß justizielle Vernehmungen
durchgeführt wurden, was gerade bei einem so bedeutenden Kriminalfall nur
schwer verständlich ist. Ebenso fällt auf, dass manche Aussagen von für den
Fall bedeutenden Zeugen oft nur in Berichtsform (und nicht als Wortprotokoll)
durch die handelnden Polizeibeamten Eingang in den Akt gefunden haben.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der BPD Wien, Sicherheitsbüro
. Aktenkonvolut der SOKO Burgenland, GZ P-xx/02 VS
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Dienstanweisung der BPD Wien
Sachverhalt:
Im Zeitraum bis zur Flucht von Natascha K. am 23.8.2006 wurden jedenfalls mit allen damals
zentralen (mündigen) Zeugen bzw. Auskunftspersonen, nämlich der Mutter S12, dem Vater
K4 sowie R4, Lehrerin von A2, niederschriftliche Einvernahmen seitens der erhebenden
Polizeibeamten durchgeführt.
Mit der Mutter von Natascha K., S12, wurden im Zeitraum zwischen 3.3.1998 und 8.4.1998
ingesamt sieben Niederschriften sowie zwei Berichte über Befragungen angefertigt. Eine
weitere niederschriftliche Einvernahme wurde am 23.3.2001 durchgeführt.
Mit dem Vater von Natascha K., K4, wurden im Zeitraum zwischen 3.3.1998 und 13.4.1998
insgesamt drei Niederschriften und ein Bericht angefertigt.
Die Lehrerin von A2, R4, wurde am 4.3.1998 niederschriftlich einvernommen.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 12:Hinsichtlich der Befragungen der zu diesem Zeitpunkt unmündigen Zeuginnen A2 und H5
wurden Berichte angefertigt. Siehe dazu die Ausführungen in der Schlussfolgerung.
Die Zeugen hinsichtlich eines weißen Busses mit vermeintlich Gänserndorfer Kennzeichen,
H2 und H1, wurden am 1.4.1998 niederschriftlich einvernommen.
Zusätzlich wurde eine große Zahl von Auskunftspersonen im Zuge der Überprüfungen des
familiären Umfeldes der Familie K. sowie der Kraftfahrzeughalter von der Polizei
niederschriftlich einvernommen.
Ab dem Zeitpunkt der Selbstbefreiung (23.8.2006) wurden neben Natascha K. folgende
wesentliche Zeugen seitens der Polizei niederschriftlich einvernommen:
Die Mutter von Wolfgang P., P12, wurde am 23.8.2006 und 28.8.2006 niederschriftlich
einvernommen. Ein Bericht über eine ergänzende Befragung wurde am 30.8.2006
angefertigt.
Die Anzeigerin der hilfesuchenden Natascha K., P6, wurde am 27.8.2006 niederschriftlich
einvernommen.
Die unmittelbaren Nachbarn von Wolfgang P., S10 und S9, wurden am 23.8.2006 sowie
26.8.2006 niederschriftlich einvernommen.
Der engste Freund von Wolfgang P., H8, wurde zwischen 24.8.2006 und 1.9.2006 insgesamt
dreimal niederschriftlich einvernommen.
In der Folge wurde noch eine Vielzahl weiterer Zeugen und Auskunftspersonen
niederschriftlich einvernommen.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 13:Schlussfolgerung:
Bis zur Selbstbefreiung von Natascha K. wurden die ex-ante betrachtet zentralen Zeugen
von den ermittelnden Polizeibeamten jeweils zumindest einmal niederschriftlich
einvernommen.
Lediglich zu den Befragungen der unmündigen Zeuginnen A2 und H5 wurden, den zum
damaligen Zeitpunkt einschlägigen Rechtsvorschriften entsprechend, Berichte angefertigt.
Gemäß damals gültiger Dienstanweisungen und Dienstbefehle, beruhend auf dem
Jugendgerichtsgesetz, waren mit Unmündigen keine Niederschriften zu verfassen. Es
wurden daher von den ermittelnden Beamten rechtskonform Berichte über die Befragungen
verfasst.
Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft selbst waren bis zum 31.12.2007, also vor
Inkrafttreten der Strafprozessreform, nicht gestattet. Im Rahmen von Vorerhebungen war
eine diesbezügliche Antragstellung durch die Staatsanwaltschaft an das Gericht möglich,
wurde aber nicht regelmäßig durchgeführt, sondern nur dann, wenn dadurch ein Erkenntnis-
bzw Verlässlichkeitsgewinn gegenüber einer Vernehmung durch mit dem jeweiligen Fall
vertraute Kriminalbeamte erwartet werden konnte.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 14:1.3. Als schwerer Ermittlungsfehler muss wohl die Nichtbeachtung des Hinweises
eines Polizei-Hundeführers auf Wolfgang P. bereits im Jahr 1998 gewertet
werden, der neben einem Hinweis aus der Nachbarschaft des Wolfgang P.
bereits der zweite direkte Hinweis auf den Entführer war. Dazu kommt, dass
dieser Hinweis gemeinsam mit dem zweiten Hinweis auf Wolfgang P.
gemeinsam in einem Akt abgelegt und nicht weiter beachtet wurde.
Diese zwei Hinweise wurden erst nach dem Freikommen der Natascha K. bei
einer Suche nach Wolfgang P. in dem erst nachträglich eingerichteten
Aktensystem CONVERA gefunden. Eine frühere Beachtung dieses Hinweises
hätte möglicherweise dazu beitragen können, den Freiheitsentzug der Natascha
K. wesentlich zu verkürzen.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der BPD Wien, Sicherheitsbüro
. Aktenkonvolut der SOKO Burgenland, GZ P-xx/02 VS
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Angaben der Beamten der Polizeiinspektion (bzw. bis 2005 Gendarmerieposten)
Deutsch-Wagram vor Mitgliedern des Evaluierungsteams
. Ergänzende Befragung von Bewohnern der Hxxxxstraße, 2231 Strasshof, durch das
Evaluierungsteam
. Angaben des damaligen Polizeidiensthundeführers iR. P2 vor der
Evaluierungskommission ADAMOVICH am 3.3.2008
. Aktenvermerk vom 29.8.2006 über das Gespräch von den Polizisten K13 und S4 mit
dem Polizisten iR. P2
. Angaben vom Polizisten S15 vor der Evaluierungskommission ADAMOVICH am
3.3.2008
. Angaben vom Polizisten F2 vor der Evaluierungskommission ADAMOVICH am
3.3.2008
. Aktenkonvolut der SOKO BM.I Vorarlberg
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 15:Sachverhalt:
Im Zuge der österreichweiten Fahndung nach dem Tat- und Fluchtfahrzeug bei der
Entführung, einem weißen Kastenwagen mit verdunkelten Scheiben, wurde am 4.4.1998
vom Gendarmerieposten Deutsch-Wagram, Polizist R8, per Fax dem
Bezirksgendarmeriekommando Gänserndorf und durch dieses dem Sicherheitsbüro der BPD
Wien Meldung erstattet, dass in 2231 Strasshof an der Nordbahn, in der Hxxxxstraße auf
Höhe Haus Nr xx, ein solches Fahrzeug abgestellt ist. Das Kennzeichen und die
Zulassungsdaten wurden mitgeteilt, der Familienname des Zulassungsbesitzers wurde dabei
offensichtlich irrtümlich falsch abgelesen (weil alle anderen Daten, wie Hauptwohnsitz,
Geburtsdatum etc. stimmten), und in weiterer Folge unverzüglich von den Bearbeitern des
Sicherheitsbüros Wien richtiggestellt.
Der von Mitgliedern des Evaluierungsteams am 14.11.2012 befragte Anzeiger des ersten
Hinweises aus der Nachbarschaft gab an, dass er telefonisch beim Gendarmerieposten
Deutsch-Wagram über den weißen Kastenwagen seines Nachbarn Wolfgang P. Mitteilung
erstattet habe. Es sei dann einige Zeit später eine Überprüfung des Kastenwagens und von
Wolfgang P. erfolgt. Wiederum nach einiger Zeit habe er durch einen Beamten des
Gendarmeriepostens Deutsch-Wagram die Mitteilung erhalten, dass „die Sache überprüft
und erledigt sei“. Genaueres dazu wisse er nicht mehr.
Am 6.4.1998 wurde der Hinweis vom 4.4.1998 durch Kriminalbeamte des Sicherheitsbüros
Wien, Polizisten S11 und H10, bearbeitet. Bei der Überprüfung des weißen Kastenwagens,
Kz W-8xxxx, am angeführten Abstellort in Strasshof an der Nordbahn wurde der
Zulassungsbesitzer Wolfgang P. angetroffen und zu dessen Aufenthalt am Entführungstag
befragt. Wolfgang P. gab dabei an, dass er alleine zu Hause bei Umbauarbeiten gewesen
sei, der Kastenwagen werde von ihm als „Baufahrzeug“ verwendet. Diese Angabe
untermauerte er mit im Kastenwagen abgestellten Müllsäcken mit Bauschutt. Wolfgang P.
gab außerdem an, dass er mit einer Überprüfung bereits gerechnet habe, als er aus den
Medien erfahren habe, dass ein weißer Kastenwagen mit der Entführung von Natascha K. in
Verbindung gebracht werde. Vom zu überprüfenden Kastenwagen wurden mit einer
Sofortbildkamera vier Lichtbilder angefertigt, was von Wolfgang P. mit der Bemerkung
gestattet worden war, dass er mit der Abgängigkeit von Natascha K. sicher nichts zu tun
habe. Die Lichtbilder wurden dem Akt des Sicherheitsbüros Wien beigelegt.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 16:Bei der Befragung durch die Mitglieder der Evaluierungskommission ADAMOVICH am
3.3.2008 sowie den Vernehmungen durch die SOKO BM.I Vorarlberg im März 2008 gaben
die Bearbeiter des Sicherheitsbüros Wien, Polizisten H10 und S11 zum ersten Hinweis
(gemeldet von den Beamten des Gendarmeriepostens Deutsch-Wagram zu einem weißen
Kastenwagen mit getönten Scheiben) an, dass sich Wolfgang P. bei der Überprüfung am
6.4.1998 völlig unauffällig, nicht nervös und ganz normal verhalten habe. Er sei hilfsbereit
gewesen und man „habe ihm nichts angesehen“.
Polizist F3 des Sicherheitsbüros Wien nahm am 14.4.1998, gegen 14.45 Uhr, einen Anruf
des Polizeidiensthundeführers P2 entgegen, in dem dieser einen „anonymen“ Hinweis (P2
wollte namentlich nicht angeführt werden), betreffend die Fahndung nach dem weißen
Kastenwagen mit dunklen Scheiben im Bezirk Gänserndorf, geben wollte. Der Hinweis
bezog sich auf den männlichen Bewohner des Hauses 2231 Strasshof, Hxxxxstraße xx, bei
dem es sich um einen „Eigenbrötler“ mit Kontaktproblemen handle, der einen Hang zu
„Kindern“ in Bezug auf seine Sexualität und auch Waffen im Haus haben soll.
Daraufhin ersuchte der Polizist F3 um 15.35 Uhr telefonisch die Beamten des
Gendarmeriepostens Deutsch-Wagram um Überprüfung des Anwesens 2231 Strasshof an
der Nordbahn, Hxxxxstraße Nr xx. Zu diesem Ersuchen erfolgte um 16.59 Uhr der
Überprüfungsbericht der Beamten des GP Deutsch-Wagram per Fax direkt an das
Sicherheitsbüro Wien, Gruppe F2.
In diesem Überprüfungsbericht wurde auf die am 6.4.1998 durchgeführte Nachschau
hingewiesen, welche damals verifizieren sollte, dass der zu überprüfende Kastenwagen auch
tatsächlich beim Haus Hxxxxstraße xx abgestellt war. Weiters wurde über die Erhebung
bezüglich der Bewohner des angeführten Hauses berichtet, wobei angeführt wurde, dass es
sich bei der angeführten Adresse um die polizeiliche Meldeadresse von P12 handelt, zu der
auf dem Gendarmerieposten keine Vormerkungen aufliegen. Deren Sohn Wolfgang P. sei im
Haus aufhältig, dort jedoch polizeilich nicht gemeldet. Kopien aus der Indexkartei, die keine
relevanten Einträge enthielten, wurden als Beilagen mitübersandt.
Dazu wird bemerkt, dass am 14.4.1998 ein weiteres österreichweites
Fahndungsfernschreiben sowie eine Presseaussendung abgesetzt wurden.
Dabei wurde die Fahndung nach Natascha K. und dem bereits beschriebenen Tatfahrzeug
aufgrund der Aussagen des Ehepaares H1H2 erweitert, wonach sie am 2.3.1998 in der Nähe
des Tatortes einen weißen Kastenwagen mit getönten Scheiben, Kennzeichen vermutlich mit
„G“ beginnend, gesehen hätten.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 17:Nach der Flucht von Natascha K. am 23.8.2006 wurde eine Überprüfung der nun bekannten
Person Wolfgang P. im durch die Beamten der SOKO Burgenland befüllten
Computerprogramm „CONVERA“ durchgeführt. Dabei kam es zu zwei „Treffermeldungen“.
Vom Leiter der SOKO Burgenland, Polizist K5, wurden die Polizisten K13 und S4, Mitarbeiter
der SOKO Burgenland, beauftragt, den Geber des zweiten Hinweises auf Wolfgang P., den
Polizeidiensthundeführer P2, dazu zu befragen. Der Polizist P2 bestätigte am 29.8.2006,
dass er im April 1998 telefonisch einen Hinweis auf den Bewohner des Hauses 2231
Strasshof, Hxxxxstraße xx, gegeben habe. Weiters gab er an, dass er sich sicher sei, damals
nichts von einem Hang der Person zu Kindern und ebenfalls nichts über Waffen im Haus
gesagt zu haben. Warum seine Angaben anonymisiert wurden, könne er nicht angeben, er
habe damals seine Personalien mitgeteilt.
Die Mitglieder der Evaluierungskommission ADAMOVICH führten mit dem Polizisten P2 am
3.3.2008 eine Befragung durch. Dabei gab er an, dass er sich bei dem telefonischen Hinweis
zwar namentlich vorgestellt habe, jedoch habe er anonym bleiben wollen, um seine Familie
und die Nachbarschaft zu schützen. Den Hinweis auf die sexuelle Neigung von Wolfgang P.
zu Kindern, beziehungsweise dass dieser Waffen besitze, habe er nicht gemacht, dieser Typ
sei P. nicht gewesen, es sei von ihm auf jeden Fall nicht erwähnt worden.
Diese Angaben bestätigte der Polizist P2 auch im Zuge der Zeugenvernehmungen durch die
SOKO BM.I Vorarlberg.
Der Polizist S15 gab in einem sachdienlichen Gespräch mit den Mitgliedern der
Evaluierungskommission ADAMOVICH am 3.3.2008 an, dass der Zeugin A2 während der
Befragungen und Ermittlungen bezüglich des Tatfahrzeuges ein Lichtbild vorgelegt wurde.
Auf diesem war ein Mercedes-Kleinbus mit getönten Scheiben abgebildet, worauf die Zeugin
erklärt habe, dass es sich nicht um ein solches Fahrzeug gehandelt habe.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 18:Schlussfolgerung:
Dem am 4.4.1998 eingegangenen Hinweis vom Polizisten R8 über ein verdächtiges
Fahrzeug wurde innerhalb von zwei Tagen durch die Überprüfung des Kastenwagens und
Befragung des Zulassungsbesitzers nachgegangen.
Die Angaben von Wolfgang P. hinsichtlich seiner Bautätigkeit und der Verwendung des
Kastenwagens als Baufahrzeug erschienen glaubhaft, zumal dieser gerade mit
Fliesenlegearbeiten beschäftigt war. Dazu gab Wolfgang P. an, dass er bereits auf eine
Überprüfung gewartet habe, wobei er bemerkte, dass er die Verbindung eines weißen
Kastenwagens mit der Entführung von Natascha K. aus den Medien erfahren habe.
Ob eine Person bei einer Überprüfung, auf die sie offenbar vorbereitet ist, wie Wolfgang P.
bei diesem Gespräch ja selbst auch angegeben hat, die Wahrheit sagt oder nicht, wird ohne
weitere Verdachtsmomente kaum zu bemerken sein. Zudem war P. unbescholten, agierte
kooperativ und wirkte auf die Beamten in seinem Verhalten in keiner Weise nervös oder
auffällig.
Unmittelbar nach Eingang des Hinweises vom Polizisten P2 ersuchte der Polizist F3 den
Gendarmerieposten Deutsch-Wagram um Überprüfung der Bewohner des Hauses
Hxxxxstraße xx.
Für den Polizisten F3 bot sich damals folgendes Bild:
Die erhebenden Gendarmeriebeamten stellten fest, dass eine Überprüfung des an dieser
Adresse aufhältigen Wolfgang P. bereits am 6.4.1998 erfolgt war. Dieses Erhebungsergebnis
wurde umgehend dem Polizisten F3 mitgeteilt.
Über die Überprüfung vom 6.4.1998 war ein Bericht angelegt worden, worin festgehalten
wurde, dass Wolfgang P. kein Alibi besaß, jedoch ergaben sich für die ermittelnden Beamten
aufgrund seiner glaubwürdigen Aussagen und des kooperativen Verhaltens keinerlei
hinreichende „Verdachtsmomente“ für weitere Überprüfungsmaßnahmen.
Dass am zu überprüfenden Kfz der „Buckel“ fehlte und dieses auch kein mit „G“ beginnendes
Kennzeichen hatte, sprach zusätzlich gegen Wolfgang P. als Verdächtigen.
Bei der Befragung vom Polizisten F3 durch Mitglieder der Evaluierungskommission
ADAMOVICH gab er an, dass der Bericht und das Ergebnis der Überprüfung des
Gendarmeriepostens Deutsch-Wagram dem Gruppenführer F2 vorgelegt worden sei. Für ihn
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 19:sei der Hinweis vom Polizisten P2 deshalb nicht von besonderer Bedeutung gewesen, da er
nur auf „Hörensagen“ beruht habe.
Wer dann schlussendlich diese Hinweise als „überprüft“ ablegte, lässt sich heute – nach
Ansicht des Evaluierungsteams mangels entsprechender Dokumentation – nicht mehr
nachvollziehen (Ausführung im 2. Zwischenbericht der Evaluierungskommission
ADAMOVICH, Seite 5).
Der Polizist F2 gab dazu beim Gespräch mit den Mitgliedern der Evaluierungskommission
ADAMOVICH an, dass er sich nicht mehr genau erinnern könne. Er könne sich vorstellen,
dass er, als sich herausgestellt habe, dass die Person bereits überprüft worden war, den
Hinweis vermutlich zu den „überprüften Hinweisen“ gegeben habe. In dieser
Ermittlungsphase wurden laut Auskunft von Dr. S5 (damals zuständiger Jurist der BPD Wien
– Sicherheitsbüro) lediglich die von der Polizei als prioritär beurteilten Hinweise an die
Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Der gegenständliche Hinweis wurde jedoch von der Polizei
als nicht prioritär beurteilt und daher nicht an die Staatsanwaltschaft übermittelt, weshalb
diese erst wesentlich später, nämlich am 24.8.2006 – nach der Flucht der Natascha K. –
davon Kenntnis erlangte.
Beide Hinweise wurden durch den Ermittlungsleiter Polizist F2 – nicht automationsunterstützt
– zusammengeführt und einer Bewertung unterzogen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass
eine Vielzahl von Hinweisen bearbeitet wurde. Insgesamt wurden vom Sicherheitsbüro Wien
1.520 Fahrzeuge samt Zulassungsbesitzern sowie 650 weitere Personen überprüft. Dabei
wurden 250 niederschriftliche Einvernahmen durchgeführt, wobei diesen Personen damals
eine höhere Priorität zugeordnet wurde.
Wann A2 vom Polizisten S15 das Lichtbild eines Mercedes-Benz Kleinbusses vorgelegt
wurde, konnte nicht mehr eruiert werden. Jedenfalls hatte sich A2, der zahlreiche Prospekte
von verschiedensten Kfz von möglichen Tatfahrzeugen vorgelegt und mit der bei
Autohändlern Vergleichsmodelle besichtigt wurden, bereits vor den Überprüfungen der
gegenständlichen Hinweise zu Wolfgang P. auf die Marke Ford, Type Transit, als dem
Tatfahrzeug am ähnlichsten festgelegt (beim tatsächlichen Tatfahrzeug handelte es sich
jedoch um einen Mercedes Benz MB 100 D-L).
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 20:Dass eine frühere Beachtung dieses Hinweises möglicherweise dazu beitragen hätte
können, den Freiheitsentzug von Natascha K. wesentlich zu verkürzen, ist aus folgenden
Gründen nicht anzunehmen:
a) Eine der rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines
Hausdurchsuchungsbefehles war gemäß § 139 StPO aF. das Vorliegen eines
begründeten Verdachtes einer gerichtlich strafbaren Handlung. Dieser war aus den
oben dargelegten Gründen – insbesondere bei einer Betrachtung des Sachverhaltes
ex-ante – zum damaligen Zeitpunkt nicht anzunehmen. Dazu ist auch im 2.
Zwischenbericht, Seite 8, der Evaluierungskommission ADAMOVICH ausgeführt,
dass die Inhalte der beiden Hinweise zusammengenommen, nämlich
- „Waffenbezug“
- „pädophile Neigung“
sowie
- ein dem Tatfahrzeug ähnliches Fahrzeug
- kein Alibi
keinen konkreten Tatverdacht ergeben.
b) Die Gefangenhaltung von Natascha K. in einem schalldichten und in lebensnaher
Betrachtung als unauffindbar zu bezeichnenden Raum hätte die Auffindung der
Gefangenen nicht nur erschwert, sondern geradezu unmöglich gemacht.
Nach dem Freikommen von Natascha K. im Jahr 2006 wurden durch Beamte des
Bundeskriminalamtes Versuche mit Diensthunden durchgeführt. Die im Verlies zu
Testzwecken befindlichen Personen konnten dabei nicht aufgefunden werden.
Auch die Angaben der Tatortermittler (nach der Flucht von Natascha K.) bestätigten
dies mit der Aussage: „Ohne Nataschas exakte Angaben hätten wir das Verlies
niemals gefunden, nicht einmal bei einer Hausdurchsuchung. Wir hätten den Tresor
gefunden und aufgemacht. Aber dass dahinter noch etwas ist, wer kann das ahnen?“.
c) Nach dem Freikommen der Natascha K. wurden die Nachbarn des Wolfgang P. einer
Befragung unterzogen. Dabei wurden von keinem der Befragten Aussagen getätigt,
welche die seinerzeitigen – allenfalls verdachtsbegründenden – Grundlagen des
Hinweises hinsichtlich „Waffenbezug“ und „pädophiler Neigung“ bestätigt hätten.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 21:Eine Unterlassung der Ausforschung und Befragung der Quellen zum Hinweis des
Hundeführers P2 erscheint zumindest ex-post betrachtet als problematisch. Eine
Ergebnisrelevanz dieses Ermittlungsfehlers erscheint aufgrund obiger Überlegungen als
wenig wahrscheinlich.
1.4. Weiters wurde festgestellt, dass im Jahr 2002 anlässlich der Übertragung des
Aktes an die Kriminalabteilung Burgenland durch den Direktor des
Bundeskriminalamtes eine umfassende Evaluierung der bisherigen
Ermittlungen beauftragt wurde. Statt einer Aufarbeitung der bisherigen
Erhebungen im Sinne eines „Cold-Case-Managements“ führte jedoch die
eingesetzte Sonderkommission die Ermittlungen fort, insbesondere im Hinblick
auf die Behauptungen eines Privatdetektivs. Auch hier wurde eine Chance
verpasst festzustellen, dass es bereits zwei Hinweise auf Wolfgang P. gab.
Die Verantwortung dafür trifft neben den Beamten der SOKO Burgenland auch
den Staatsanwalt, der in auffallender Weise in entscheidenden Phasen der
Ermittlungen untätig geblieben ist.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der SOKO Burgenland, GZ P-xx/02 VS
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Einschreiben der Detektivagentur P8 an den Direktor des Bundeskriminalamtes Dr.
H3 und folgender E-Mail-Verkehr
. Bericht Evaluierung und weitere Ermittlungen durch die SOKO Burgenland
. Mitteilung vom .BK an die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit über
Betrauung der Kriminalabteilung Burgenland (SOKO Burgenland)
. Vorhabensbericht der SOKO Burgenland vom 25.7.2002, zu Handen
Dr. H3
. Evaluierungsbericht der SOKO Burgenland vom 27.8.2002, zu Handen Dr. H3
. Befragung der Zeugin A2, Aktenvermerk vom 15.11.2001
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 22: . 1. Erhebungsbericht der SOKO Burgenland, Stand 11.12.2002, zu Handen Dr. H3
. 2. Erhebungsbericht der SOKO Burgenland, Stand 15.1.2003, zu Handen Dr. H3
. Angaben vom Polizisten F6 vor der Evaluierungskommission ADAMOVICH am
4.4.2008;
Sachverhalt:
Am 25.6.2002 intervenierte Berufsdetektiv P8 schriftlich bei der Generaldirektion für die
öffentliche Sicherheit und beim Direktor des Bundeskriminalamtes Dr. H3, wobei die
Intervention bei der Generaldirektion von dieser am 27.6.2002 an den Direktor des
Bundeskriminalamtes Dr. H3 zur Information, Beantwortung und Veranlassung weitergeleitet
wurde. Die Intervention erfolgte wegen vermuteter Ermittlungsfehler beim Fall Natascha K.
sowie um die Übertragung an eine andere Sicherheitsbehörde zu erwirken.
Dieser Intervention wurde durch Direktor Dr. H3 Folge geleistet – mit dem Auftrag an das
Sicherheitsbüro Wien, den gesamten Aktenbestand zur bedenklichen Abgängigkeit der
Natascha K. der SOKO Burgenland zu übergeben. Die Übertragung der weiteren
Fallbearbeitung und Beauftragung zur Evaluation des Falles Natascha K. wurde am
17.7.2001 im Büro des Direktors des Bundeskriminalamtes zwischen Polizist K5 (LGK
Burgenland), Dr. G1 (Sicherheitsbüro Wien) und Dr. H3 (BK.) besprochen und von diesen so
entschieden. Die Übergabe der vollständigen Akte an die dafür eingerichtete SOKO
Burgenland erfolgte am 18.7.2002.
Die SOKO Burgenland legte einen Vorhabensbericht über die Evaluierung vom 25.7.2002
und den später ergangenen Evaluierungsbericht vom 27.8.2002 Dr. H3 zu dessen Handen
persönlich vor.
Die Tatzeugin vom 2.3.1998, A2, wurde am 15.11.2002 in ihrer Wohnung im Beisein ihrer
Eltern und ihres Bruders abermals über ihre Wahrnehmungen befragt. Dabei gab sie
erstmals an, dass sie sich sicher sei, dass es sich bei den Tätern um zwei gleichzeitig in
Erscheinung getretene Männer gehandelt habe, da einer immer auf dem Fahrersitz sitzen
geblieben sei. Eine niederschriftliche Einvernahme der nunmehr nicht mehr unmündigen
Zeugin hätte nach einer „Nachdenkphase“ erfolgen sollen. Es wurde ihr angeboten, dass sie
über die gesamte Gegebenheit noch einmal nachdenken solle. Dies wurde im Aktenvermerk
auch so festgehalten. Bei dem Gespräch mit den Mitgliedern der Evaluierungskommission
ADAMOVICH teilte der Polizist S4 dazu mit, dass es zu dieser Einvernahme nicht mehr
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 23:gekommen sei, da der Vater der Zeugin mitgeteilt habe, dass man A2 nicht noch einmal
belästigen solle, sie habe „das“ noch nicht verarbeitet.
Es wurden durch die Beamten der SOKO Burgenland in den folgenden Jahren bis zum
Freikommen der Natascha K. (23.8.2006) am 8.11.2002, 13.1.2003, 15.1.2003, 28.1.2003,
25.4.2003 und 17.6.2003 Anzeigen an die StA Wien, zu Handen Herrn Mag. K11,
übermittelt.
In der Anzeige über den Gesamtermittlungsstand vom 17.6.2003 werden
a) die abgearbeiteten Vorwürfe des Berufsdetektives P8,
b) Ergebnisse der vom LGSt Wien angeordneten Überprüfungen und
Hausdurchsuchungen,
c) sowie 26 weitere Erhebungen zu Hinweisen unterschiedlicher Natur
vorgelegt.
Weitere fünf Anzeigen an die Staatsanwaltschaft Wien wurden bis zum 24.8.2006 vorgelegt,
davon enthielten zwei wiederum Vorwürfe und Empfehlungen des Berufsdetektives P8.
Schlussfolgerung:
Der Vorhabens- und auch der erste Evaluierungsbericht behandelten nur die Vorwürfe des
Berufsdetektives P8. Kritik daran durch Dr. H3 liegt im Akt nicht ein.
Bei der Befragung durch die Mitglieder der Evaluierungskommission ADAMOVICH erklärte
der Polizist F6, dass die SOKO Burgenland beauftragt worden sei, die Vorwürfe des
Berufsdetektives P8 zu überprüfen, anschließend hätte sie weiter ermittelt.
Der Auftrag des Dr. H3 an die SOKO Burgenland war unklar und insoweit
interpretationsbedürftig.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 24:Obwohl Dr. H3 ein erster Evaluierungsbericht vorgelegt wurde, erfolgte keine
Konkretisierung sowohl des Evaluierungs- als auch des Ermittlungsauftrages. Es handelte
sich um zwei verschiedene Auftragslagen mit unterschiedlichen Zielrichtungen, die durch
zwei separate Organisationseinheiten (zB. verschiedene Landeskriminalämter) hätten
bearbeitet werden müssen.
Im Ergebnis kam es zu einer Vermischung der beiden Aufträge und einer Fokussierung auf
die Bearbeitung der Vorwürfe des Berufsdetektives P8 und weiterer eingehender Hinweise.
Eine tatsächliche Evaluierung – in deren Rahmen es nicht unwahrscheinlich gewesen wäre,
dass die beiden Hinweise auf die Person P. zu einer nochmaligen Überprüfung der Person
geführt hätten – wurde nicht durchgeführt.
Der Staatsanwaltschaft war es vor dem 1.1.2008 gesetzlich nicht zugewiesen, selbst zu
ermitteln oder von sich aus wesentlich in die polizeiliche Ermittlungstätigkeit einzugreifen.
Den Anregungen der Kriminalpolizei wurde vom zuständigen StA Mag. K11 durch
Antragstellung an das Gericht entsprochen, von einer „Untätigkeit in entscheidenden
Phasen“ kann daher keine Rede sein. Zwischen Staatsanwalt und ermittelnden Beamten
wurde ausreichender Kontakt (Abgleich des Wissenstandes bezüglich der Ermittlungen)
gepflogen, Mag. K11 nahm an diversen Durchsuchungen teil (zB.: Grabungen an
Örtlichkeiten, an denen der Leichnam der Natascha K. vermutet wurde). Auch dem Ersuchen
der ermittelnden Beamten der SOKO Burgenland um Beantragung einer
Telefonüberwachung kam er nach, die von der Ratskammer jedoch abgelehnt wurde.
Vom Hinweis des Diensthundeführers auf Wolfgang P. (zweiter Hinweis) erlangte der
Staatsanwalt erst am 24.8.2006 Kenntnis (siehe diesbezügliche Ausführungen unter Pkt.
1.3).
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 25:1.5. Zu kritisieren ist, dass nach dem Freikommen der Natascha K. versucht wurde,
durch Einflussnahme auf den Hinweisgeber diesen offensichtlichen
Ermittlungsfehler zu verschleiern und vor der Öffentlichkeit zu verbergen.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der SOKO Burgenland, GZ P-xx/02 VS
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Abschlussbericht der Evaluierungskommission ADAMOVICH samt Beilagen
. Berichte über Befragungen der Polizeibeamten P2, K13, S4, F3 und K5 vor der
Evaluierungskommission ADAMOVICH
. Aktenvermerk vom 29.8.2006 der Polizisten K13 und S4 über das Gespräch mit dem
Polizisten P2
. Aktenkonvolut der SOKO BM.I Vorarlberg
Sachverhalt:
Eingangs wird auf die Einleitung zu Punkt 1.3. [Nichtbeachtung des Hinweises eines
Polizeihundeführers] verwiesen, insbesondere auf die Ausführungen im Bericht vom
Polizisten F3 vom 14.4.1998. Demnach soll der „anonyme“ Hinweisgeber [Polizist P2]
angegeben haben, dass die Person, welche mit dem Verschwinden der Natascha K. in
Zusammenhang stehen könnte, einen Hang zu Kindern haben und eventuell im Besitz von
Waffen sein soll.
Der Polizist P2 war bereits am Tag der Selbstbefreiung von Natascha K. am 23.8.2006 als
Polizeidiensthundeführer mit seinem Sprengstoffspürhund, von denen es nur wenige im
Großraum Wien gibt, beim Haus des P. in Strasshof eingesetzt. Im Zuge dieser Tätigkeit
kam es bereits zur ersten persönlichen Kontaktaufnahme zwischen den Polizisten K5 und
P2. Dabei habe der Polizist K5 laut seinen Angaben vor der Evaluierungskommission
ADAMOVICH dem Polizisten P2 die Frage gestellt: „Warum haben Sie das nicht uns
gesagt?“, worauf dieser nicht geantwortet habe.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 26:Am 29.8.2006 suchten die beiden Ermittlungsbeamten der SOKO Burgenland, die Polizisten
K13 und S4, den damaligen Hinweisgeber, den Polizisten P2 auf.
Der Polizist K5 gab bei seiner Zeugeneinvernahme vor der SOKO BM.I Vorarlberg sowie bei
der Befragung durch die Evaluierungskommission ADAMOVICH an, dass er nicht mehr
wisse, wer den Auftrag zur Befragung des Polizisten P2 erteilt habe.
Laut Angaben der Ermittlungsbeamten sei der Auftrag mündlich durch den Polizisten K5, den
operativen Leiter der SOKO Burgenland, ergangen. Dieser habe beinhaltet, „für die SOKO
Burgenland festzustellen, ob der Polizist P2 tatsächlich der Diensthundeführer gewesen sei
und ob die Angaben im erstellten Aktenvermerk des Sicherheitsbüros Wien den Tatsachen
entsprechen würden“.
Bei dieser Befragung gab der Polizist P2 an, er sei zwar der Hinweisgeber gewesen, sei sich
allerdings sicher, nichts von einem Hang der Person zu Kindern und ebenfalls nichts über
Waffen im Haus Hxxxxstraße xx gesagt zu haben. Über das Gespräch mit dem Polizisten P2
fertigten die Ermittlungsbeamten noch am selben Tag einen Aktenvermerk an, in dem der
Polizist K5 als Auftraggeber genannt wurde.
Nach der Darstellung, die der Hundeführer Polizist P2 selbst vor der
Evaluierungskommission ADAMOVICH gegeben hat, zeigten ihm die beiden
Ermittlungsbeamten den „Akt“ und sagten im Anschluss daran: „Bitte sag nichts!“. Es sei
schlampig gearbeitet worden und es gebe Dinge, die sie noch erheben müssten.
Im Anschluss danach habe seine Ehefrau ein Telefonat gehört, wobei einer der beiden
Ermittlungsbeamten mit einer weiteren Person, die mit „Herr Doktor“ angesprochen worden
sei, telefoniert habe.
Dem gegenüber schilderte der Polizist K13 vor der Evaluierungskommission ADAMOVICH,
er habe dem Polizisten P2 nur den Rat gegeben, „nicht in die Presse zu gehen“. Das
Telefongespräch sei nicht mit einem „Doktor“, sondern mit dem Polizisten K5 geführt worden.
Die Ehefrau vom Polizisten P2, Polizistin P1, gab bei ihrer Zeugenvernehmung vor der
SOKO BM.I Vorarlberg am 4.3.2008 auf die konkrete Frage: „Haben sie gehört, wie der
anrufende Beamte den Passiv-Teilnehmer namentlich oder allfällig mit einem Titel
angesprochen hat?“, die Antwort: „Nein, das habe ich nicht gehört, ich denke aber – so wie
er sich während des Telefongespräches verhalten hat – dass es sich dabei um einen
Vorgesetzten gehandelt haben muss……“
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 27:Schlussfolgerung:
Der Polizist F3 des Sicherheitsbüros der BPD Wien wurde am 3.3.2008 von der
Evaluierungskommission ADAMOVICH zur Hinweisentgegennahme befragt. Dabei gab er
an, dass er in seinem Bericht den Hinweis vom Polizisten P2 inhaltlich genau dokumentiert
habe. Diesbezügliche widersprüchliche Angaben können aus heutiger Sicht nicht mehr
geklärt werden.
Der tatsächliche Inhalt des offenbar vom Polizisten K5 mündlich erteilten Auftrages kann
anhand der vorliegenden Unterlagen nicht mehr eruiert werden.
Ob es beim Erstkontakt zwischen den Polizisten K5 und P2 am Tag der Selbstbefreiung oder
beim späteren Treffen der Ermittlungsbeamten der SOKO Burgenland zu einer gewollten
Beeinflussung kam oder ob der Polizist P2 ein Ersuchen der Kollegen, zur Presse nichts zu
sagen, falsch interpretierte, kann heute nicht mehr aufgeklärt werden.
Die bei der Polizei bekannten Hinweise auf Wolfgang P. wurden bereits am 25.8.2006 bei
der Pressekonferenz vom Polizisten K5 öffentlich erwähnt – somit vier Tage vor dem Kontakt
zwischen den beiden Beamten der SOKO Burgenland und dem Diensthundeführer, sodass
ein Verbergen vor der Öffentlichkeit nicht gegeben war.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 28:2. Einzeltäter – Mehrtätertheorie – Mitwisser
2.1. Die Frage, ob die Einzeltätertheorie aufrechterhalten werden kann, stellt die
zentrale Frage jeder Evaluierung der Causa Natascha K. dar. Dabei kommt der
Zeugin A2 eine wesentliche Bedeutung zu, nach deren Aussage zwei Männer an
der Entführung von Natascha K. beteiligt waren. Die bestehenden
Widersprüche zwischen den Aussagen von Natascha K. und A2 sind bis heute
nicht ausgeräumt. Die durchgeführte Gegenüberstellung wurde nicht in einem
Wortprotokoll festgehalten, und kann nicht alle Zweifel ausräumen.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Aussage der A2 vor dem
Untersuchungsrichter in Innsbruck zu verweisen, dass sie von vernehmenden
Beamten, an deren Namen sie sich allerdings nicht erinnern konnte, unter
Druck gesetzt worden sei. Noch deutlicher wird dieser Vorwurf in dem von der
Richteramtsanwärterin Mag. E1 am LG Innsbruck aufgenommenen
Aktenvermerk dargestellt.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Befragungsprotokolle der Zeugin A2
. Tatortmappen der Tatortgruppen der LKA Burgenland und Oberösterreich
. Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft Innsbruck
. Stellungnahme des Rechtsschutzbeauftragten Dr. P13 zum Vorhabensbericht der
Staatsanwaltschaft Innsbruck
. Aktenvermerk der Richteramtsanwärterin Mag. E1
. Protokoll der Gegenüberstellung von Natascha K. und A2
. Niederschriften mit Natascha K.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 29:Sachverhalt:
Chronologische Übersicht der Aussagen der Zeugin A2 ab 3.3.1998 bis zur
Gegenüberstellung am 3.12.2009
3.3.1998 – Zur Abgängigkeit von Natascha K. ab 2.3.1998 meldete sich A4 beim
Sicherheitsbüro Wien mit ihrer Tochter A2, welche eine Entführung beobachtet
habe. Beim Opfer handle es sich um Natascha K.
5.3.1998 – (zweimalige Befragung)
und
11.3.1998 – Diese drei Befragungen dienten hauptsächlich der Identifizierung der
Marke und Type des Tatfahrzeuges.
19.3.1998 – Bei dieser Befragung sollte der Fluchtweg rekonstruiert werden.
15.11.2002 – Nach Übernahme der Ermittlungen zur Sache Natascha K. durch die SOKO
Burgenland wurde A2 neuerlich befragt. Über diese Befragung wurde ein
Aktenvermerk angelegt, eine weitere Befragung in Form einer
niederschriftlichen Einvernahme wäre geplant gewesen, wurde jedoch vom
Vater der A2 abgelehnt.
27.8.2006 – Nach dem Freikommen von Natascha K. wurde mit der Zeugin erstmals eine
niederschriftliche Einvernahme durchgeführt.
31.8.2006 – Aufgrund der Selbstbefreiung von Natascha K. wird mit A2 eine
Rekonstruktion (audiovisuell) am Entführungsort durchgeführt.
Darüber wurde ein Aktenvermerk angelegt.
21.9.2009 – Zeugenvernehmung über Anordnung Oberstaatsanwaltschaft Wien durch
Beamte der SOKO .BK Natascha K.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 30:Chronologische Übersicht der Aussagen der Natascha K. bis zur Gegenüberstellung am
3.12.2009
24.8.2006 – Erstmalige niederschriftliche Einvernahme zur Entführung, der
Gefangenhaltung und Selbstbefreiung.
Detailliertere Befragungen des Opfers wurden in Form niederschriftlicher Einvernahmen am
30.8.2006
31.8.2006
2.9.2006
3.9.2006
7.9.2006
15.9.2006 durchgeführt.
15.10.2009 – Zeugenvernehmung durch EOStA Dr. M3.
13.11.2009 – Fortsetzung der Vernehmung durch EOStA Dr. M3.
26.11.2009 – Amtsvermerk vom Polizisten L3 über Gesprächsnotizen. Die Gespräche
wurden mit Natascha K. anlässlich der Spurensicherung durch die
Tatortgruppe des Landeskriminalamtes Oberösterreich geführt.
Gegenüberstellung von Natascha K. und A2:
3.12.2009 – Gegenüberstellung im Bundeskriminalamt Wien unter Leitung vom Polizisten
K9.
Angaben der A2 nach der Gegenüberstellung:
29.7.2011 – Zeugenvernehmung StA Innsbruck zum Inhalt der Gegenüberstellung vom
3.12.2009 im Bundeskriminalamt mit Natascha K.
29.7.2011 – Aktenvermerk von Richteramtsanwärterin Mag. E1 vom 01.8.2011 über ein
Gespräch mit der Zeugin und ihrem Bruder A3.
Eine themenbezogene, vom Evaluierungsteam erstellte Übersicht der Aussagen der Zeugin
A2 ist der Detailanalyse als Arbeitsbehelf angeschlossen (Anhang).
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 31:Erstbefragung der damals 12-jährigen A2 am 3.3.1998:
Die Zeugin teilte dabei unter anderem mit, dass sie am Entführungsort ein weißes, hohes
und langes Auto gesehen habe. Auf dem Fahrersitz habe sie einen Mann bemerkt, den sie
nicht näher beschreiben könne, da dieser das Gesicht von ihr abgewandt gehabt habe. Sie
habe sich zu diesem Zeitpunkt auf gleicher Höhe auf der anderen Straßenseite befunden.
Als sich das ihr unbekannte Mädchen auf Höhe dieses Autos bei der Beifahrertür befunden
habe, sei plötzlich die Schiebetür des Autos aufgegangen. Sie habe nur sehen können, dass
das Mädchen „von rückwärts“ an beiden Oberarmen gepackt und in das Auto gezerrt worden
sei. Sie habe hören können, wie das Mädchen einmal ganz laut um Hilfe gerufen habe. Das
Mädchen sei nun im Auto gewesen und es sei die Schiebetür geschlossen worden. Das Auto
habe mit dem „Hinterteil“ gewackelt und sei dann gestartet worden. Sie habe sich nichts
„Böses“ dabei gedacht, sondern vermutet, dass der Mann der Vater oder Onkel des
Mädchens sei.
Nach der Beschreibung der unmittelbaren Entführungssituation ergänzte A2, dass sie
glaube, das von ihr vormals wahrgenommene Fahrzeug einige Minuten später abermals – in
Richtung Schwimmbad fahrend – gesehen zu haben. Nähere Hinweise zum Auto und den
beiden Männern könne sie nicht geben, da sie sie nur sehr schwer habe sehen können.
Angemerkt wird, dass die – die ersten Vernehmungen durchführenden – Polizeibeamten F1
(vor Mitgliedern des Evaluierungsteams) und F3 (bei der Befragung durch die Mitglieder
Evaluierungskommission ADAMOVICH) unabhängig voneinander – inhaltlich jedoch
übereinstimmend – angaben, A2 sei sich bei den Befragungen im Jahr 1998 nicht sicher
gewesen, ob es sich um einen oder zwei Täter gehandelt habe.
Weitere Befragungen und Niederschriften mit A2:
Bei der mit Bericht dokumentierten Befragung am 15.11.2002 und den nach der
Selbstbefreiung K.s durchgeführten niederschriftlichen Einvernahmen und
Zeugenvernehmungen sowie der audiovisuell festgehaltenen Tatortrekonstruktion werden
die Angaben von A2 immer ausführlicher und detaillierter, insbesondere bei der
Beschreibung des angeblichen Fluchtweges des Tatfahrzeuges beziehungsweise ihrer
zweiten Begegnung mit diesem sowie der Personsbeschreibung beider Täter.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 32:Erst ab diesem Zeitpunkt gab sie gegenüber den Strafverfolgungsbehörden an, gleichzeitig
zwei Täter gesehen zu haben. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vom 27.8.2006 gab
A2 erstmals eine – wenn auch ungenaue – Personsbeschreibung des zweiten Täters, von
der sie bei der Zeugenvernehmung am 29.7.2011 allerdings wieder abging, um auszuführen,
sie habe diesen nicht erkennen können, da er in die andere Richtung geblickt habe.
Die Aussagewidersprüche hinsichtlich
- ihres Standortes bei der unmittelbaren Tat,
- die dadurch unterschiedlichen Blickwinkel zum unmittelbaren Tatort,
- der am Tatfahrzeug angebrachten Kennzeichen,
- der Personsbeschreibung des angeblichen Zweittäters,
- des Vorganges des zweiten Zusammentreffens mit dem angeblichen Tatfahrzeug
(vor dem Fahrzeug über die Straße gelaufen oder am Straßenrand stehen
geblieben bzw. Beifahrer nicht erkannt, dann eindeutig P. als Beifahrer erkannt),
wurden im Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft Innsbruck ausführlich beschrieben und
sind in der themenbezogenen Übersicht (Anhang) ersichtlich.
Vorwürfe der A2:
A2 gab bei der Zeugenvernehmung vor dem Haft- und Rechtsschutzrichter beim
Landesgericht Innsbruck am 29.7.2011 an, sie sei bei der Gegenüberstellung mit Natascha
K. am 3.12.2009 von vernehmenden Beamten, an deren Namen sie sich allerdings nicht
erinnern könne, unter Druck gesetzt worden. Irgendwie habe sie das Gefühl gehabt, dass die
Vernehmungen schnell über die Bühne gebracht werden sollten und man ihr nie wirklich
zugehört habe.
Beim kurz zuvor geführten Gespräch mit der Richteramtsanwärterin Mag. E1 warf A2 der
Polizei vor, sie als Lügnerin hingestellt zu haben. Sie habe nicht sagen dürfen, dass sie zwei
Täter gesehen habe.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 33:Umwelteinflüsse auf die Aussagen der Zeugin A2:
Diese setzten – wie bereits im ersten Einvernahmebericht vom 3.3.1998 ersichtlich –
unmittelbar nach der Wahrnehmung der Entführung ein, anlässlich der allerersten
Schilderung des Geschehens durch die Zeugin gegenüber ihrer Lehrerin: „Als das Mädchen
ins Auto gezerrt wurde, dachte ich mir nichts Böses dabei. Ich vermutete, dass der Mann der
Vater oder der Onkel des Mädchens war… In der Schule erzählte ich meine Beobachtung
den Freundinnen, die mir aber nicht glaubten. Daher sagte ich es meiner Klassenlehrerin.
Sie glaubte auch, dass es der Vater des Mädchens war.“
Aus den niederschriftlichen Einvernahmen der Lehrerin und der Mutter von A2 geht hervor,
dass sie – bevor die Abgängigkeit von Natascha K. bekannt war – versuchten, auf A2
beruhigend einzuwirken, da diese ihrer Mutter gegenüber geäußert habe, Angst zu haben,
sodass diese ihr habe versprechen müssen, sie am Schulweg zu begleiten.
Umwelteinflüsse auf die Aussagen des Opfers Natascha K.:
Die durch die SOKO Burgenland angefertigten Niederschriften wurden, mit Ausnahme der
ersten niederschriftlichen Befragung vom 24.8.2006, immer im Beisein von mindestens fünf
Personen (ermittelnde Beamte, Rechtsanwalt, Opferschutzbetreuung) durchgeführt,
Natascha K. beschreibt den Tag der Entführung bei ihren Einvernahmen spontan und sehr
ausführlich, das tägliche „Zusammenleben“ während der Freiheitsentziehung nicht. Zu einer
inhaltlichen Beeinflussung ist es dabei nicht gekommen.
Ergebnisse der Tatortuntersuchungen:
Vom 23.8.2006, 18.20 Uhr, bis einschließlich 4.10.2006 wurden alle tatrelevanten
Örtlichkeiten, inklusive Kraftfahrzeuge und Behältnisse, von der Tatortgruppe des LKA
Burgenland einer Spurensicherung unterzogen. Dabei konnten im Haus von Wolfgang P. in
Strasshof vier verwertbare und für Identifizierungszwecke heranziehbare Papillarlinienspuren
gesichert werden, von denen drei Wolfgang P. zuzuordnen waren. Die vierte Spur konnte
weder Täter, Opfer, noch Gelegenheitspersonen (P12, H8 und H11) zugeordnet werden.
Auch bei einem Abgleich im AFIS konnte kein Spurenverursacher ermittelt werden. Da sich
diese Spur allerdings auf der Türe eines noch nicht eingebauten und erst kurz vor der
Selbstbefreiung von Natascha K. in einem Baumarkt gekauften, noch teilverpackten
Badezimmerschrankes befand, kann diese Papillarlinienspur während des gesamten
Lieferweges (Hersteller, Zwischenhändler, Endhändler etc.) verursacht worden sein.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 34:Die Spuren werden nach wie vor vom Zentralen Erkennungsdienst des Bundeskriminalamtes
evident gehalten.
Weiters wurden an allen relevanten Tatörtlichkeiten (Wohnhaus des Wolfgang P. in 2231
Strasshof an der Nordbahn, Hxxxxstraße xx, Wohnung der P12 in 1220 Wien, Rxxxxxstraße
xx/x/x, Örtlichkeit der Selbsttötung von Wolfgang P., dessen Kfz BMW 850 i,
Wechselkennzeichen W-4xxxxx, und Mercedes Benz 211 CDI, Wechselkennzeichen W-
4xxxxx, sowie am Kfz Kia Karnival, Kz W-1xxxxx, von H8) insgesamt 264 DNA-Abriebe
genommen. Davon wurden über Auftrag des Landesgerichtes für Strafsachen Wien 39 DNA-
Spuren dem Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Wien zur Auswertung übermittelt.
Das diesbezügliche Gutachten stellt klar, dass sämtliche im Haus von Wolfgang P.
sichergestelllten Spuren ausschließlich Natascha K. oder Wolfgang P. zuzuordnen sind.
Lediglich der Abrieb von einem ausgebauten, im Keller gelagerten Autositz wies das DNA-
Profil einer bislang unbekannten Frau auf.
Im Kraftfahrzeug von H8, Kia Karneval, Kz W-1xxxxx, wurde ein DNA-Profil von der
Nackenstütze des Beifahrersitzes Wolfgang P. zugeordnet. Natascha K. hingegen schied bei
allen Profilen als Spurenlegerin aus. Die anderen acht DNA-Profile konnten H8 zugeordnet
werden.
Am 24.11.2009 wurde über Auftrag der Oberstaatsanwaltschaft Wien, EOStA Dr. M3, durch
die Beamten der Tatortgruppe des Landeskriminalamtes OÖ eine neuerliche Untersuchung
des Verlieses und dessen Vorraumes zur Sicherung von daktyloskopischen und DNA-
Spuren durchgeführt. Vorwiegendes Ziel war die Täterspurensuche an verbauten oder
eingebauten Gegenständen, da man annahm, dass dort nur solche Personen Spuren hätten
hinterlassen können, die beim Bau des Verlieses mitgeholfen hätten.
Bei den an 16 abmontierten Gegenständen – teilweise mit unterschiedlichen Methoden –
durchgeführten Untersuchungen konnte lediglich eine Fingerspur gesichert werden. Diese
stammt von Wolfgang P.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 35:Weiters wurden 30 DNA-Abriebe genommen, die dem Gerichtsmedizinischen Institut in
Salzburg, Dr. N1, übermittelt wurden. Drei DNA-Spuren waren verwertbar:
Spur Nr 8: Der Abrieb von einem Wasserabsperrventil „Kaltwasser“ stammte von einer
unbekannten, weiblichen Person. Eine Einspeicherung in der DNA-Datenbank ist erfolgt.
Spur Nr 19.5: Abrieb Verschluss vom Abflussrohr, männliche Mischspur, wurde in der DNA-
Datenbank eingespeichert.
Spur Nr 19.9: Der Abrieb vom Lochmetallband, unterhalb der Nirosta-Abwasch, Bild Nr 57
und 58, wurde Natascha K. zugeordnet. Geringe männliche Anteile in der Spur wurden mit
H8 und Wolfgang P. abgeglichen. Mit H8 besteht keine Übereinstimmung; das dabei
festgestellte Y-DNA-Teilprofil stimmt in allen noch bestimmbaren Merkmalssystemen mit
dem Y-DNA-Profil des Wolfgang P. überein und ist deshalb mit hoher Wahrscheinlichkait
auch diesem zuzuordnen.
Zu beachten ist, dass als Gelegenheitspersonen hier unter anderem das Personal der
Hersteller-, Zusteller- oder Vertreiberfirmen der jeweiligen Gegenstände in Frage kommen,
die jedoch nach dem langen Zeitraum nicht mehr eruiert und überprüft werden können.
In einem Aktenvermerk hielt ein Beamter der Tatortgruppe OÖ, Polizist K3, fest, dass
sämtliche Einrichtungsgegenstände in zerlegtem Zustand durch die Tresoröffnung gepasst
haben und ein Zusammenbau der Tür und Möbel (Bett/Schränke/Stellagen und
Verkleidungen) meist mit Holzschrauben (Spax-Schrauben) erfolgte.
Schlussfolgerung:
Natascha K. gab in allen niederschriftlichen Einvernahmen, der Zeugenvernehmung durch
EOStA Dr. M3 und auch bei der Gegenüberstellung mit A2 übereinstimmend an, dass
Wolfgang P. ihrem Wissen nach als Alleintäter gehandelt und die Entführung alleine
durchgeführt habe.
In formlosen Gesprächen mit den ersteinschreitenden Beamten auf der Polizeiinspektion
Deutsch-Wagram bzw. später in den Räumlichkeiten des Sicherheitsbüros Wien am Tag
ihrer Selbstbefreiung, und auch mit dem Polizisten L3 am 24.11.2009 in Strasshof anlässlich
der Spurensicherung der Tatortgruppe des LKA OÖ, erwähnte Natascha K. mehrmals, dass
sie außer Wolfgang P. keine weiteren Täter gesehen habe.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 36:Zu den damit – scheinbar – in Widerspruch stehenden Schilderungen eines möglichen
Telefonates P.s unmittelbar nach der Entführung in einem Wald wird auf die Ausführungen in
Punkt 2.2, zur Äußerung im Gespräch mit der Polizistin F4: „Ich weiß keine Namen“ auf
Punkt 2.5. verwiesen.
Die im März 1998 mit der zwölfjährigen A2 von der Polizei angefertigten Berichte über ihre
Aussagen verfolgten das Ziel, Hinweise zur Auffindung der Natascha K. und Ausforschung
des Täters/der Täter zu sammeln. Diese Befragungen erfolgten altersgerecht durch kurze
Fragen, Vorzeigen von Vergleichsfahrzeugen bei Kraftfahrzeughändlern und in Prospekten
sowie der Einräumung der Möglichkeit für die Zeugin, Zeichnungen anzufertigen.
Die im Laufe der Jahre immer detaillierter durch A2 erfolgten Beschreibungen der
Wahrnehmungen mögen der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechen, dürften aber im
konkreten Fall durch die zahlreichen Umwelteinflüsse auf die Zeugin (Medien, Schule,
Familie etc.) erklärbar sein.
Dabei ist zu bedenken, dass bereits durch die nichtwörtliche Wiedergabe der
Erstbefragungen durch die Beamten des Sicherheitsbüros Wien eine gewisse Interpretation
des Gesagten stattgefunden hat, auch wenn dies der im Jahr 1998 (StPO-alt) geltenden
Gesetzeslage entsprach. Gemäß den damals geltenden Erlässen durften Unmündige nicht
niederschriftlich einvernommen werden, mit dem Hintergrund, keinen weiteren unnötigen
Druck auf diese Personengruppe auszuüben.
Spätestens als die Dimension des Falles absehbar wurde und dringend von einer Entführung
von Natascha K. auszugehen war, wäre es geboten gewesen, eine kontinuierliche Betreuung
der unmündigen Zeugin zu organisieren, um eine Vertrauensbasis aufzubauen. Die
Betreuung und folgenden Befragungen hätten etwa immer durch dieselben, besonders
geschulten Beamten erfolgen sollen. Insbesondere eine psychische Betreuung des Kindes,
das so plötzlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit geraten war, wäre sicherzustellen
gewesen.
Die Beiziehung eines Dolmetschers war aufgrund des Umstandes, dass A2 in Österreich
geboren und aufgewachsen ist, hier die Schule besucht hat und laut Auskunft der
erstvernehmenden Beamten hinreichende Deutschkenntnisse aufwies, nicht erforderlich.
Zur von A2 beklagten „Druckausübung“ ist zusammengefasst zu bemerken, dass die
kindliche Zeugin seit dem Tag der Entführung über Jahre den verschiedensten
Erwartungshaltungen (zu helfen, Natascha zu finden; nicht zu lügen; genauere
Täterbeschreibungen abzugeben etc.) von allen möglichen Seiten ausgesetzt war, die sich
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 37:auch im Akt protokolliert wiederfinden. Diesen – oft auch unbewussten – Druck einseitig in
Richtung „Einzeltäter“ darzustellen, entspricht schlicht nicht den Gegebenheiten. So ist etwa
in einem vom Polizisten K9 angefertigten Amtsvermerk über die Gegenüberstellung der
Zeuginnen A2 und Natascha K. festgehalten, wie A4 ihre Tochter A2 während des
Gespräches dahingehend zu beeinflussen versucht, doch zwei Täter gesehen zu haben, weil
sie sich nicht vorstellen könne, dass sich ihre Tochter irre.
Die Gegenüberstellung mit Natascha K. am 3.12.2009 wurde vom Polizisten K9 geleitet, dem
als Leiter der SOKO .BK Natascha K. sicherlich nicht vorgeworfen werden darf, Hinweise auf
allfällige Mittäter zu verharmlosen versucht zu haben. Warum nun gerade ihm der Vorwurf
der Beeinflussung von A2 gemacht wird, ist aus der Aktenlage nicht nachvollziehbar und
dem Evaluierungsteam nur mit der diesbezüglichen Sensibilisierung der Zeugin und
gefühltem Erwartungsdruck erklärbar.
Zum Vorwurf der Zeugin, sie habe irgendwie das Gefühl gehabt, dass die Vernehmungen
schnell über die Bühne gebracht werden sollten und ihr nie wirklich zugehört worden sei,
wird auf die Darstellung in ihrer Zeugenvernehmung zur Gegenüberstellung hingewiesen,
wonach A2 zunächst vermeinte, diese habe lediglich 15 bis 20 Minuten gedauert, und ihr erst
vorgehalten werden musste, dass diese tatsächlich von 18.30 bis 19.40 Uhr gedauert habe.
Der gegenüber der Richteramtsanwärterin Mag. E1 geäußerte Vorwurf von A2, sie sei von
der Polizei immer als Lügnerin hingestellt worden und habe nicht sagen dürfen, dass sie
zwei Täter gesehen habe, konnte nicht bestätigt werden. Bei allen Befragungen und
Niederschriften wurden ihre Angaben über zwei Täter dokumentiert. Ausnahmen hier sind
lediglich die Befragungen vom 5.3.1998 und die Befragung am 11.3.1998, die vorwiegend
zur Abklärung des Tat- und Fluchtfahrzeuges durchgeführt worden waren und bei denen
eine Befragung hinsichtlich der Täter gar nicht erfolgte.
Der Auffassung des Rechtschutzbeauftragten-Stellvertreters der Justiz, Dr. P13, in dessen
Stellungnahme zum Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft Innsbruck, keineswegs in
einen „hobby-psychologischen“ Diskurs über den Aussagewert der Angaben der Zeugin
eintreten zu wollen, kann nur beigetreten werden.
Durch das unmittelbare Einsetzen zahlreicher Umwelteinflüsse können die Aussagen der A2
seriöserweise nicht mehr auf eine „reine“ Version tatsächlicher Wahrnehmungen reduziert
werden.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 38:Fest steht nur, dass sich die Zeugin bei der Beschreibung des Entführungsfahrzeuges – als
mit einem „Buckel“ versehen – offensichtlich geirrt haben muss. Das von Wolfgang P.
verwendete Tatfahrzeug hatte jedenfalls bei der Überprüfung am 6.4.1998 und bei der
Sicherstellung am 24.8.2006 keinen derartigen „Buckel“.
Wenn – auf Basis der Schilderung der A2 ab 2002, sie habe zwei Männer gleichzeitig in der
Fahrerkabine des davonfahrenden Kastenwagens sitzen gesehen – vorgebracht wird, dass
es für einen Alleintäter niemals möglich gewesen wäre, gleichzeitig das Fluchtauto zu lenken
und das Opfer in seiner Gewalt zu halten, ist dem entgegenzusetzen, dass Wolfgang P. nach
Angaben der Natascha K. eine Waffe für das Opfer sichtbar mit sich geführt habe, was diese
verängstigt habe. Welchen Mehrwert es für die Sicherung des entführten Kindes haben soll,
wenn sich von zwei Tätern beide in der Fahrerkabine aufhalten und keiner das Mädchen im
Laderaum bewacht, ist nicht nachvollziehbar.
Allein die Tatsache, dass A2 zunächst einen Täter am Fahrersitz des Tatfahrzeuges
beobachtete und dann wahrnahm, wie ein Täter Natascha K. durch die Seitentüre ins
Fahrzeug zerrte, lässt in Anbetracht des mit einer Durchstiegsmöglichkeit zwischen
Fahrerkabine und Laderaum ausgestatteten Tatfahrzeuges noch keinen zuverlässigen
Schluss auf eine Mehrtäterschaft zu; da ein solcher Bewegungsablauf für A2 auch aufgrund
der, durch die Beschaffenheit des Kfz mit verdunkelten Scheiben, hervorgerufenen
Sichtunterbrechung nicht erkennbar gewesen wäre. Die stets gleichbleibende Schilderung
des Tatablaufes durch Natascha K., wonach sie von einem Täter (Wolfgang P.) durch die
Seitentüre ins Fahrzeug gezerrt worden sei und dieser danach durch den Laderaum
zwischen den Sitzen in die Fahrerkabine durchgestiegen sei und das Kfz selbst in Betrieb
genommen habe, wird durch die Angaben der A2 daher nicht widerlegt.
Sämtliche gesicherte DNA-Abriebe im näheren Tatortbereich (Verlies und Vorraum) und aus
dem Schlafzimmer des Wolfgang P. – und somit sämtliche potenziell aussagekräftigsten
Beweismittel – wurden einer Auswertung zugeführt. Für die Ermittlungen nicht
erfolgversprechende DNA-Abriebe wurden nicht ausgewertet, sondern lediglich beim LKA
Burgenland asserviert. Diese Vorgangsweise entspricht den internationalen Standards.
Eine Gesamtbetrachtung der Beweisergebnisse legt für das Evaluierungsteam die Annahme
nahe, dass die Angaben der A2 zu einem möglichen Mittäter des Wolfgang P. nicht auf ihre
unmittelbaren Wahrnehmungen, sondern auf daraus irrig gezogene Schlussfolgerungen
zurückzuführen sind.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 39:Insgesamt lässt sich eine Beteiligung Dritter an der Entführung zwar nicht mit letzter
Sicherheit ausschließen, objektive Beweismittel hierfür sind aber nicht vorhanden und es
konnten auch keine – auf eine mögliche Beteiligung Dritter zielende – Ermittlungsansätze
gefunden werden, die nicht ohnedies bereits ausgeschöpft worden waren.
2.2. Warum fuhr Wolfgang P. nach der Entführung in ein Waldstück, telefonierte
dort und stellt fest, dass Natascha K. nicht abgeholt würde?
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der SOKO Burgenland, GZ P-xx/02 VS
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Angaben von Natascha K. in den niederschriftlichen Einvernahmen (erste
Niederschrift v. 24.8.2006, Seite 3)
. Zeugeneinvernahme von Natascha K. durch EOStA Dr. M3 am 15.10.2009
Sachverhalt:
Ob Wolfgang P. während des Verbringens der Entführten vom Tatort zum Verlies bei einem
Halt in einem Wald tatsächlich telefonierte, auf einen Anruf wartete oder dies eventuell nur
vortäuschte, ist ungeklärt. Dazu äußerte sich Natascha K. bei der niederschriftlichen
Einvernahme vom 24.8.2006 und zuletzt in der Zeugenvernehmung durch EOStA Dr. M3 am
15.10.2009 folgendermaßen: „Er hat mir weder damals noch später erklärt warum er nicht
sofort vom Tatortbereich weggefahren ist. Er hat lediglich einmal gesagt, er möchte mich
verwirren – und zwar im Auto hat er das gesagt.“. Bei der Fortsetzung der Vernehmung gab
sie an: „Ich glaub er wollte mich nur verwirren, er hat schon so herumgetan mit dem Telefon
als ob andere beteiligt wären – er hat dann so getan, als ob er jemanden anruft, oder auf
einen Anruf wartet der dann nicht gekommen ist. Ich habe ihn dabei beobachtet, ich war in
einer Schocksituation und alles war wie in einem 3-D-Kino. Ich habe mich gefühlt wie
gelähmt.“.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 40:Schlussfolgerung:
Hinsichtlich dieser von Natascha K. erzählten Begebenheit bleibt fraglich, inwiefern diese
Schilderung dazu beitragen sollte, Mittäter zu decken. Über Wolfgang P.s Beweggründe
kann aufgrund seines Selbstmordes nur noch spekuliert werden. Ungewöhnlich ist ein
solches Verhalten nach internationalen Profiling-Erfahrungen aber gerade für Alleintäter
nicht. Die Fiktion, dem Opfer stünde eine Mehrzahl, eine Übermacht an Tätern gegenüber,
ist dabei regelmäßig eines der Mittel, das Opfer einzuschüchtern und unter Kontrolle zu
halten. Darüber hinaus wird dieses bedrohliche Szenario von Tätern gebraucht, um beim
Opfer den Eindruck zu wecken, es habe es bei ihm noch relativ gut, die anderen „da
draußen“ seien noch viel böser und er werde es vor ihnen beschützen, wenn es bei ihm
bleibe.
Eine technische Überprüfung der Telefondaten aus dem Jahr 1998 war – unabhängig von
den rechtlichen Bestimmungen – zum Zeitpunkt des Entkommens von Natascha K. im Jahr
2006 nicht mehr möglich.
Etwaige Mittäter oder Mitwisser, die über eventuelle Telefonate Auskunft geben könnten,
konnten bislang trotz intensivster Erhebungstätigkeiten der mit den Ermittlungen jeweils
beauftragten Dienststellen nicht ausgemittelt werden.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 41:2.3. Warum erfolgte die Entführung am 2.3.1998, obwohl zu diesem Zeitpunkt
nachgewiesenermaßen das „Verlies“ noch nicht fertiggestellt war? In diesem
Zusammenhang ist auch eine Verletzung des Wolfgang P. zu erwähnen, die im
Krankenhaus Korneuburg behandelt wurde. Dabei ist auffällig, dass Wolfgang
P. von einem Nachbarn ins Krankenhaus gebracht und am folgenden Tag von
dort wieder abgeholt worden war. Wolfgang P. war jedoch nicht stationär
aufgenommen worden, weshalb anzunehmen ist, dass er zwischendurch von
einem Dritten abgeholt und wieder ins Krankenhaus zurückgebracht worden
war. Das lässt den Schluss zu, dass er nicht zulassen konnte, eine Nacht von
seinem Haus fern zu bleiben.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Niederschrift mit Natascha K. vom 24.8.2006
. Zeugeneinvernahme von Natascha K. durch EOStA Dr. M3 vom 15.10.2009
. Niederschriftliche Einvernahmen von S10 durch die SOKO .BK Natascha K. und die
SOKO Burgenland
. Angaben von Prim. Dr. H6, Krankenhaus Korneuburg, in dessen niederschriftlicher
Einvernahme durch die SOKO Burgenland vom 28.8.2006
. Strafanzeige der SOKO Burgenland gegen Wolfgang P.
. Befund der Unfallambulanz des Krankenhauses Korneuburg
. Fahrplan der ÖBB und Routenausdrucke
Sachverhalt:
Natascha K. gab in der niederschriftlichen Einvernahme vom 24.8.2006, Seite 4, an, dass in
dem Raum (Verlies) ein Laminatboden und an den Wänden naturfarbene Holzpaneele
verlegt gewesen seien. In der Zeugenvernehmung durch EOStA Dr. M3 vom 15.10.2009,
Seiten 7 – 9, bestätigte sie diese Angabe und führte dazu weiter aus, dass auch die Toilette
und die Nirosta-Spüle bereits vorhanden gewesen wären. Lediglich leicht bewegliche
Einrichtungsgegenstände (Matratzen, Ölradiator, Liege etc.) seien zum Zeitpunkt der
Entführung nicht im Verlies vorhanden gewesen, einige wären von P. aber bereits in den
ersten Stunden und Tagen der Entführung dorthin gebracht worden.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 42:Wolfgang P. zog sich am 3.3.1998 eine Verletzung des letzten Gliedes des rechten
Mittelfingers zu. Über den Verletzungsvorgang gab er damals gegenüber seinem Nachbarn
S10 und bei der Unfallambulanz des KH Korneuburg an, dass er sich diese beim Einbau
eines Tresors zugezogen habe (Niederschriften mit S10 und Niederschrift mit dem Arzt des
Krankenhauses Korneuburg).
Gegenüber Natascha K. gab er an, dass ihm jemand unabsichtlich mit einem Hammer auf
die Hand geschlagen habe (Angaben von Natascha K. in der Fortführung der
Zeugenvernehmung vom 15.10.2009, am 13.11.2009, Seite 3).
Der Nachbar S10 gab an, dass er beim Transport von Wolfgang P. mit der Rettung in das
Krankenhaus Korneuburg hinter dem Rettungswagen nachgefahren sei. Wolfgang P. sei
erstversorgt oder operiert und anschließend stationär aufgenommen worden. Er habe ihn am
nächsten Tag gegen Mittag vereinbarungsgemäß mit seinem PKW abgeholt und nach Hause
gefahren.
Dies steht im Widerspruch zu den Aufzeichnungen des Krankenhauses Korneuburg (Befund
der Unfallambulanz des Krankenhauses Korneuburg), in denen keine stationäre Aufnahme
des Wolfgang P. aufscheint.
Schlussfolgerung:
Das Verlies war zum Zeitpunkt der Entführung von Natascha K. zur Gefangenhaltung eines
Kindes geeignet. Auch die Einrichtung für eine länger andauernde Gefangenhaltung
bereitete Wolfgang P. keine Probleme, wie das Opfer am 24.8.2006 und am 15.10.2009
angab.
Ob es zum ursprünglichen „Entführungsplan“ gehörte, das Entführungsopfer mit
Zuwendungen, wie hier mit einer sukzessiven „Aufwertung der Wohnsituation“ gefügig zu
halten und so auch die Gunst des Opfers zu erlangen, kann aufgrund des Selbstmordes von
Wolfgang P. nicht mehr geklärt werden.
Ob Wolfgang P. nach der Behandlung in der Unfallambulanz des Krankenhauses
Korneuburg am 3.3.1998 um 17.49 Uhr, von einem Dritten abgeholt und am nächsten
Morgen bzw. in den Vormittagsstunden zum Krankenhaus wieder zurückgefahren wurde,
lässt sich ebenfalls nicht mehr beantworten. Die Verwendung eines öffentlichen
Verkehrsmittels (ÖBB-Verbindung zwischen Korneuburg und Strasshof an der Nordbahn)
wäre in der fraglichen Zeit ohne Probleme möglich gewesen. Die jeweiligen Entfernungen
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 43:zwischen den Bahnhöfen und den Fußwegzielen, Krankenhaus Korneuburg – 700 m, und
Wohnhaus Hxxxxstraße Nr. xx – 1,1 km, sind in normaler Gehzeit in 10 bis 15 Minuten zu
bewältigen (Internetrecherchen über ÖBB-Fahrzeiten und Routenpläne). Darüber hinaus
wäre auch die Verwendung eines Taxis möglich gewesen.
Ob Wolfgang P. etwa durch das scheinbar dokumentierte Verbringen einer Nacht außer
Haus den Anschein erwecken wollte, mit der Entführung nichts zu tun zu haben, kann nicht
geklärt werden.
Der Schlussfolgerung: „Das lässt den Schluss zu, dass er nicht zulassen konnte, eine Nacht
von seinem Haus fern zu bleiben.“, wird beigetreten. Im Falle eines weiteren oder mehrerer
Täter hätte er diese mit der Bewachung und Aufsicht über das Entführungsopfer betrauen
können, was aus Sicht des Evaluierungsteams eher für eine Alleintäterschaft von Wolfgang
P. spricht.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 44:2.4. In welchem Zusammenhang stehen die Geldüberweisungen an und von
Wolfgang P. im Wege des Kontos seiner Mutter unmittelbar nach dem Zeitpunkt
der Entführung (die Aussage des Freundes von Wolfgang P., H8 sind
diesbezüglich widersprüchlich)? Auch die Aufklärung der Besitzverhältnisse an
mehreren Wohnungen hätte möglicherweise zur Aufklärung der Causa
beitragen können.
Was die Gründe für die Entführung betrifft, kann jedenfalls eine Entführung zur
Erlangung von Lösegeld, ebenso wie eine Entführung im Zuge eines
Obsorgestreits ausgeschlossen werden.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Hinsichtlich der angeführten Geldüberweisungen sowie der Aufklärung der
Besitzverhältnisse an mehreren Wohnungen wird auf die Ausführungen unter Punkt 4.1
verwiesen.
Die Hintergründe (Motiv) für die Entführung können aufgrund des Ablebens von Wolfgang P.
nicht mehr geklärt werden. Beweise für eine Entführung zur Erlangung von Lösegeld, ebenso
wie für eine Entführung im Zuge eines Obsorgestreits konnten jedenfalls nicht gefunden
werden.
2.5. Was die Frage einer Tätermehrheit anlangt, wirft die Aussage von Natascha K.
bei ihrem Entkommen: „Ich weiß keine Namen“, Fragen auf.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Aktenvermerk der PI Deutsch-Wagram durch die Polizistin F4 vom 29.8.2006
. Protokoll der Befragung von der Polizistin F4 durch die Evaluierungskommission
ADAMOVICH vom 4.4.2008
. Zeugenvernehmung von der Polizistin F4 durch Beamte der SOKO .BK Natascha K.
vom 22.9.2009
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 45:. Zeugenvernehmung von Natascha K. durch EOStA Dr. M3 vom 15.10.2009
. Bericht der Polizistin N4 vom 24.8.2006
. Befragungen vom Polizisten iR. B5 am 12.9.2012 durch das Evaluierungsteam
. Ergänzende Befragung der Polizistin F4 am 7.12.2012 durch das Evaluierungsteam
Sachverhalt:
Natascha K. wurde am 23.8.2006, unmittelbar nach ihrer Flucht, auf der PI Deutsch-Wagram
von der Polizistin F4 betreut. Im Zuge dieser Betreuung kam es naturgemäß auch zu
mehreren Gesprächen zwischen Natascha K. und F4.
Die Polizistin F4 verfasste einen Bericht über diese Betreuung (Bericht der PI Deutsch-
Wagram an das BM.I – .BK vom 29.8.2006), in dem auch die Erstangaben von Natascha K.
ihr gegenüber angeführt wurden, darunter auch folgender Satz:
„Bezüglich Komplizen gab sie wortwörtlich an: ,Ich weiß keine Namen.‘ “
Am 4.4.2008 wurde die Polizistin F4 durch die Evaluierungskommission ADAMOVICH
befragt.
Dabei kam es laut vorliegendem Protokoll zu folgender Ausführung:
A1: Wie ist das Gespräch weitergegangen, haben Sie auch Fragen gestellt?
F4: Ich habe keine Vernehmung durchgeführt. Ich habe sie nur betreut und nicht mehr als
drei Fragen gestellt.
A1: Besonders interessant ist da die Frage nach möglichen Komplizen.
F4: Wortwörtlich lautete die Antwort von K.: „Ich kenne keine Namen“. Ich habe dies zur
Kenntnis genommen.
A1: Das kann man auch anders verstehen.
F4: Das war für mich nicht wichtig. Es war bis zum Schluss unklar, ob es sich wirklich um K.
handelt. Deshalb habe ich es nur zur Kenntnis genommen und weitergeleitet.
A1: Wie haben in diesem Zusammenhang die weiteren Fragen gelautet?
F4: Ich kann mich nicht genau erinnern.
R2: Können Sie sich an den genauen Wortlaut Ihrer Fragestellung erinnern?
F4: Das ist leider schon zu lange her. Ich kann mich nicht erinnern.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 46:Am 22.9.2009 wurde die Polizistin F4 durch Beamte des Bundeskriminalamtes
niederschriftlich einvernommen:
Auszug:
„Frage:
Was bedeutet es für sie, als Natascha von ihnen befragt wurde, ob es Komplizen gibt und
diese wortwörtlich anwortete „ich weiß keine Namen“ – war für sie die Antwort so klar, dass
sie dazu keine weiteren Fragen mehr stellten? Wie war die Reaktion der K. auf ihre Frage
generell, wie lange hat sie gebraucht, um die Antwort zu formulieren?
Antwort:
Zu ihrer konkreten Aussage „ich weiß keine Namen“, die ich wortwörtlich in meinem Bericht
dokumentiert habe, habe ich sie nicht näher befragt bzw nachgefragt, sondern diese
konkrete Aussage von ihr zur Kenntnis genommen. Wie Natascha K. auf meine konkret an
sie gestellte Frage reagierte bzw. ob sie spontan oder zögerlich darauf anwortete, daran
kann ich mich heute nicht mehr erinnern.
Frage:
Verwendeten sie gegenüber Natascha konkret das Wort Komplizen?
Antwort:
Es ist richtig, dass ich [in] meinem Bericht zwar im Zusammenhang mit der an sie gestellten
Frage das Wort Komplizen anführte, ihr gegenüber bei dieser Frage das Wort Komplizen
nicht verwendete, sondern sie sinngemäß [fragte,] ob Andere dabei waren.“
Am 15.10.2009 wurde Natascha K. durch EOStA Dr. M3 niederschriftlich als Zeugin
einvernommen.
Auszug aus der Zeugenvernehmung:
„…Wenn die Polizistin F4 angibt, dass ich auf ihre Frage ob es Komplizen gegeben hat,
angegeben habe, ich weiß keine Namen, so ist das richtig. Wenn ich gefragt werde warum
ich diese Formulierung verwendet habe, P. hat mir nie Namen genannt und ich habe auch
nie jemanden gesehen.
Wenn ich gefragt werde, warum ich diese Frage nicht einfach mit nein beantwortet habe. Es
ging mir darum, falls es doch Mittäter geben sollte, die Polizei ermittelt…“
Natascha K. wurde in der Nacht vom 23.8.2006 auf den 24.8.2006 durchgehend in einem
Hotel im Burgenland von der Polizistin N4 betreut. Die Polizistin N4 verfasste über diese
Betreuung einen Bericht, in dem kein Hinweis auf weitere Täter angeführt ist.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 47:Am 12.9.2012 wurde der damalige Polizist des BPK Gänserndorf, B5, im Zusammenhang
mit seinen dienstlichen Wahrnehmungen unmittelbar nach der Selbstbefreiung von Natascha
K. und den anschließenden Stunden befragt. Er gab an, dass das Entführungsopfer
unmittelbar vor der Betreuung durch die Polizistin F4 von ihm zum genauen Tathergang
befragt worden sei.
Auch bei dieser mündlichen Erstbefragung, die vor allem für die sofortigen
Fahndungsmaßnahmen von großer Bedeutung gewesen seien, habe Natascha K. stets nur
von einem Einzeltäter – Wolfgang P. – gesprochen und in keiner Weise etwaige Mittäter
erwähnt.
Am 7.12.2012 wurde die Polizistin F4 von Mitgliedern des Evaluierungsteams hinsichtlich der
Aussage von Natascha K. „Ich weiß keine Namen“ befragt. Dabei gab diese an, dass es sich
bei dieser Aussage um keine Antwort auf eine konkrete Frage gehandelt habe, sondern von
Natascha K. im Zuge der mehrstündigen Betreuung getätigt worden sei. Weiters führte die
Polizistin F4 aus, dass Natascha K. während des gesamten von ihr geführten Gespräches
niemals die Existenz eines weiteren Täters erwähnt habe.
Schlussfolgerung:
Natascha K. wurde unmittelbar nach ihrer Selbstbefreiung und ihrer Verbringung auf die PI
Deutsch-Wagram von den diensthabenden Beamten betreut.
Bei einem der ersten Gespräche gab Natascha K. gegenüber dem damaligen Polizisten B5
an, dass Wolfgang P. alleine gehandelt habe. Von einem Komplizen oder Mittäter sei dabei
nie die Rede gewesen.
Die Polizistin F4 führte ein Betreuungsgespräch mit Natascha K. Dies geschah, um eine
Vertrauensbasis zum Opfer aufzubauen, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht eindeutig geklärt
war, ob es sich bei der jungen Frau tatsächlich um Natascha K. handelte.
In der Folge verfasste die Polizistin F4 am 29.8.2006 – also rund eine Woche nach der
Selbstbefreiung und dem anschließenden Gespräch auf der PI Deutsch-Wagram – einen
Bericht an das Bundeskriminalamt, tituliert mit „Natascha K. – Betreuung, Bericht“. In diesem
(internen) Bericht, dem die Qualität eines Amtsvermerkes oder eines Gedächtnisprotokolls
zuzusprechen ist, verwendete die Sachbearbeiterin erstmals den Begriff „Komplizen“. Bei der
Zeugenvernehmung durch das Bundeskriminalamt am 22.9.2009 stellte die Polizistin F4 ihre
Erstangaben des Berichtes dahingehend richtig, dass das Wort „Komplizen“ von ihr im
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 48:Gespräch mit Natascha K. nicht verwendet worden sei, sondern sie sinngemäß gefragt habe,
ob „andere“ dabei gewesen wären.
Eine in der Folge unterbliebene weitere Konkretisierung der Antwort von K., „Ich weiß keine
Namen“, seitens der Polizistin F4 lässt sich einerseits mit dem Umstand, dass es sich bei
diesem Gespräch nicht um eine Vernehmung, sondern um ein Gespräch mit dem
vorrangigen Ziel der Betreuung und Vertrauensbildung zum Opfer handelte, sowie
andererseits mit der fehlenden Erfahrung aufgrund ihrer erst etwa dreimonatigen Dienstzeit
auf einer Polizeiinspektion erklären.
Aufgrund der Erklärung der Natascha K. bei ihrer Einvernahme am 15.10.2009, dass sie mit
der Formulierung „Ich weiß keine Namen“ nur Ermittlungen in Richtung etwaiger, ihr nicht
bekannter Mittäter angestrebt habe, und der Tatsache, dass sie keine weiteren Hinweise
[Geschlecht, Aussehen, Alter usw.] tätigte, ist davon auszugehen, dass Natascha K. über
keine solche verfügte.
Aus der Sicht des Evaluierungsteams kann aus der betreffenden Aussage von Natascha K.
jedenfalls kein konkreter Hinweis auf eine Beteiligung weiterer Personen abgeleitet werden.
Das Verhalten von Wolfgang P. insbesondere zu Beginn der Entführung könnte darauf
ausgerichtet gewesen sein, Natascha K. das Gefühl zu vermitteln, als seien weitere Täter im
Hintergrund. Nach Expertenmeinung dürfte Wolfgang P. dadurch versucht haben, einen
besonderen Druck auf sie auszuüben und sie unter Kontrolle zu halten, was in anderen
Entführungsfällen schon beobachtet werden konnte.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 49:2.6. Wenngleich H8 vom Vorwurf der Begünstigung rechtskräftig freigesprochen
worden ist – es bleibt offen, warum gegen dieses Urteil der Staatsanwaltschaft
kein Rechtsmittel ergriffen worden ist –, bleiben dennoch Fragen offen, die sich
auf ein Zusammentreffen des H8 mit der in Begleitung des Wolfgang P.
befindlichen Natascha K. beziehen. Diese Fragen werden durch die Intensität
der telefonischen Kontakte zwischen H8 und Natascha K. – Natascha K. führte
mit ihm nach ihrem Freikommen Telefonate im Gesamtausmaß von etwa 100
Stunden – noch verstärkt.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der SOKO Burgenland, GZ P-xx/02 VS
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Auszug Vorhabensbericht der StA Innbruck, AZ: xx St xxx/10f vom 26.8.2011
. Angaben von Natascha K. in der Zeugenvernehmung vom 15.10.2009 und deren
Fortführung am 13.11.2009
. Angaben von H8 in der Beschuldigtenvernehmung vom 15.10.2009
Sachverhalt:
Auszug Vorhabensbericht der StA Innbruck, AZ: xx St xxx/10f vom 26.8.2011 (Seite 289, 2.
Abs. ff):
Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Wien, StA Mag. K11 gab zum Urteil kein
Erklären ab und berichtete noch am selben Tag an die Oberstaatsanwaltschaft Wien, dass
der gefällte Freispruch im Hinblick auf das abgeführte Beweisverfahren und die vom
Erstgericht getroffene Beweiswürdigung nicht mit Aussicht auf Erfolg zu bekämpfen sei,
sodass beabsichtigt sei, kein Rechtsmittel anzumelden.
Noch am selben Tag legte die Oberstaatsanwaltschaft Wien diesen Bericht der
Staatsanwaltschaft Wien vom 30.8.2010 dem Bundesministerium für Justiz mit dem
Ersuchen um Kenntnisnahme vor und erklärte, dass beabsichtigt sei, das Vorhaben der
Staatsanwaltschaft zu genehmigen. Mit Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom
1.9.2010 wurde der Bericht vom 30.08.2010 zur Kenntnis genommen (BMJ-xxxxxxx/004-IV
5/2010). Dazu wurde erwogen, dass infolge des Todes des Wolfgang P. und in Ermangelung
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 50:anderer Beweise von den Angaben des Angeklagten ausgegangen werden müsse, der
offenbar in der Hauptverhandlung einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen habe. Das
Beweisverfahren in der Hauptverhandlung habe nicht einmal ergeben, dass Wolfgang P.
Unterstützung gefordert habe. Da im Hinblick auf das abgeführte Beweisverfahren die
Beweiswürdigung, insbesondere auch zu seinem Verhalten unmittelbar nachdem Wolfgang
P. aus dem Fahrzeug des H8 ausgestiegen sei, nicht mit Aussicht auf Erfolg bekämpfbar sei,
sei das übereinstimmende Vorhaben der Anklagebehörden zur Kenntnis zu nehmen.
Bei der Zeugenvernehmung von Natascha K. am 15.10.2009 und deren Fortführung am
13.11.2009, sowie der Beschuldigtenvernehmung von H8 vom 15.10.2009, gaben diese
übereinstimmend an, dass die Begegnung zwischen ihnen etwa im Juni 2006 stattgefunden
habe. Bei dieser Begegnung sei Wolfgang P. in Begleitung der Natascha K. zur
Veranstaltungshalle des H8 in 1230 Wien, Pxxxxxxxstraße, gefahren, um sich einen Pkw-
Anhänger auszuleihen. Es sei dabei zu einem kurzen Kontakt zwischen H8 und Natascha K.
gekommen, bei dem es lediglich zu einer Begrüßung („Hallo“ beziehungsweise „Grüß Gott“),
jedoch nicht zu einer näheren Vorstellung gekommen sei.
Natascha K. gab in der niederschriftlichen Einvernahme vom 13.11.2009 an, dass sie den
telefonischen Kontakt zu H8 gesucht habe, um mehr über die Person des Wolfgang P. und
dessen Mutter zu erfahren. H8 bestätigte dies in seiner Beschuldigtenvernehmung vom
15.10.2009.
Schlussfolgerung:
Warum die Staatsanwaltschaft Wien gegen das freisprechende Gerichtsurteil gegen H8 kein
Rechtsmittel eingebracht hat, ist im Vorhabensbericht der StA Innbruck, AZ: xx St xxx/10f
vom 26.8.2011, nachvollziehbar dargestellt. Die Entscheidung, ob gegen ein Urteil ein
Rechtsmittel erhoben werden soll, hat sich nicht nur danach zu richten, ob die
Staatsanwaltschaft mit dem Verfahrensergebnis bzw. Urteil zufrieden ist, sondern in
gleichem Maße, ob das Urteil mit Erfolg bekämpft werden kann. Ist – wie hier – nur eine
dieser Einschätzungen negativ, ist das Absehen von einer Berufung nicht zu kritisieren.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 51:Ob H8 bei der Begegnung (Veranstaltungshalle) mit Wolfgang P., der von einem Mädchen
(Natascha K.) begleitet wurde, Schlüsse zum Entführungsfall Natascha K. zog, kann nicht
eruiert werden. Bei seinen Einvernahmen und zeugenschaftlichen Befragungen bestreitet er
jedenfalls einen solchen Schluss.
Der telefonische Kontakt zu H8 wurde von Natascha K. nach ihren Angaben zur Bewältigung
und Aufarbeitung des in den letzten Jahren Erlebten hergestellt. Diese Erklärung erscheint
psychologisch möglich, kann aber jedenfalls nicht widerlegt werden.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 52:3. Mangelhafte Ermittlungen im zeitlichen Zusammenhang mit dem Freikommen
der Natascha K.
3.1. Es besteht der Verdacht, dass der Tatort erst mehrere Stunden nach dem
Freikommen der Natascha K. polizeilich versiegelt worden ist, wodurch es
Dritten – allenfalls auch Wolfgang P. selbst – gelungen sein könnte,
Gegenstände zu verbringen. Möglich erscheint aber auch, dass Wolfgang P. bei
seiner Flucht Gegenstände mitgenommen und in der Folge an dritte Personen
(möglicherweise H8) weitergegeben hat.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Einsichtnahme in den damaligen Einsatzakt des Bezirkspolizeikommandos
Gänserndorf, NÖ
. Aktenkonvolut der SOKO Burgenland, GZ P-xx/02 VS
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Ergänzende Befragung des Polizisten A5 der Polizeiinspektion Deutsch-Wagram am
6.9.2012 und des ehemaligen Polizisten iR. B5 des Bezirkspolizeikommandos
Gänserndorf am 12.9.2012 durch das Evaluierungsteam
Sachverhalt:
FLUCHT der Natascha K.
Zeit-Weg-Diagramm 23.8.2006
13.00 Uhr – Natascha K. flüchtete vom Anwesen des Wolfgang P. in 2231
Strasshof, Hxxxxstraße xx, Bezirk Gänserndorf, NÖ. Die Genannte lief
zum nahegelegenen Anwesen der P6 in 2231 Strasshof, Bxxxxxgasse
xx, Bezirk Gänserndorf, NÖ, die in weiterer Folge über Notruf die
Polizei verständigte.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 53:13.04 Uhr – Anzeige durch LLZ NÖ per Funk an die Patrouille „Deutsch-Wagram
1“, Polizist M2 und Polizist P3, dass ein angebliches Entführungsopfer
in 2231 Strasshof, Bxxxxxgasse xx, Bezirk Gänserndorf, NÖ,
aufgefunden wurde.
13.10 Uhr – B3, wohnhaft in 2231 Strasshof, Hxxxxstraße xx, Bezirk
Gänserndorf, NÖ, die Nachbarin des Wolfgang P., sah den Genannten
bereits zu diesem Zeitpunkt mit dessen weißen Mercedes Sprinter in
2231 Strasshof auf der Hxxxxstraße Richtung Wxxxstraße fahren. Im
Kreuzungsbereich Hxxxxstraße – Wxxxstraße wendete er sein
Fahrzeug, fuhr die Hxxxxstraße zurück und bog links in die
Bxxxxxgasse ein.
13.15 Uhr – Eintreffen der Patrouille „Deutsch-Wagram 1“ bei der Anzeigerin, P6 in
2231 Strasshof, Bxxxxxgasse xx, Bezirk Gänserndorf, NÖ.
13.15 Uhr – K8, wohnhaft in 2231 Strasshof, Hxxxxstraße xx,
Bezirk Gänserndorf, NÖ, ging in Richtung Bahnhof. Als sie von der
Hxxxxstraße rechts in die Fxxxxxxxxstraße ging und danach links in
die Sxxxxxxxxxxxstraße bog, blieb Wolfgang P. mit seinem
weißen Mercedes Sprinter bei ihr stehen und fragte, ob sie ein blondes
Mädchen mit einem roten Kleid gesehen habe. Nachdem dies von K8
verneint wurde, fuhr Wolfgang P. weiter. Nachdem K8 ihren Weg
fortgesetzt hatte, sah sie kurz danach Wolfgang P. nochmals mit dem
weißen Fahrzeug bei der Ampelkreuzung Hxxxxxstraße –
Nxxxxxxxxxstraße in Strasshof.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 54:13.20 Uhr – Eintreffen der Krim-Streife Deutsch-Wagram, Polizist A5 und Polizist
R6 bei der Anzeigerin in 2231 Strasshof, Bxxxxxgasse xx, Bezirk
Gänserndorf, NÖ. Zu diesem Zeitpunkt waren noch die Patrouille
„Deutsch-Wagram 1“ sowie die Anzeigerin und Natascha K. anwesend.
Nach kurzer Befragung der Natascha K. wurde die Genannte von der
Patrouille „Deutsch-Wagram 1“ zur Polizeiinspektion Deutsch-Wagram
gebracht. Die Krim-Streife Deutsch-Wagram begab sich zur
Wohnadresse von Wolfgang P. nach 2231 Strasshof, Hxxxxstraße xx,
Bezirk Gänserndorf, NÖ.
13.20 Uhr – B4, wohnhaft in 2231 Strasshof, Hxxxxstraße xx, Bezirk Gänserndorf,
NÖ, der Nachbar des Wolfgang P., sah den Genannten mit seinem
roten BMW 850i, Kz W-4xxxxx, der in der straßenseitig befindlichen
Garage abgestellt war, wegfahren. Zuvor stellte Wolfgang P. noch
seinen weißen Mercedes Sprinter (ohne Kennzeichentafeln) am
hinteren Zufahrtsweg (Sackgasse) seines Anwesens in 2231 Strasshof
vor seinem dortigen überdachten Garagenplatz ab. Im weißen
Mercedes Sprinter blieb das Mobiltelefon des Wolfgang P. – auf dem
Boden liegend – zurück.
13.25 Uhr – Eintreffen der Krim-Streife Deutsch-Wagram, Polizist A5 und
Polizist R6, beim Wohnhaus des Wolfgang P. in 2231 Strasshof,
Hxxxxstraße xx, Bezirk Gänserndorf, NÖ.
13.30 Uhr – Die Beamten der Krim-Streife Deutsch-Wagram befragten in weiterer
Folge die Nachbarn des Wolfgang P., ob sie wüssten, ob dieser zu
Hause sei bzw. wo er sich befinde. Der Nachbar, B4 teilte mit, dass
Wolfgang P. soeben mit seinem roten BMW 850i weggefahren sei.
13.35 Uhr – Nach der Befragung durch die Polizeibeamten sah B4 den Genannten
abermals mit seinem roten BMW 850i in 2231 Strasshof auf der
Hxxxxstraße und hielt diesen an. Er teilte Wolfgang P. mit, dass er von
der Polizei gesucht werde, worauf der Genannte in Richtung
Wxxxstraße wegfuhr.
13.37 Uhr – Als die beiden Beamten der Krim-Streife noch mit
Nachbarschaftsbefragungen beschäftigt waren, näherte sich aus
Richtung Markgrafneusiedl ein roter BMW 850i. Auf dem Fahrersitz
befand sich Wolfgang P., der laut Angaben vom Polizisten A5 einen
wahnsinnig/ängstlichen Blick aufwies. Wolfgang P. war offensichtlich
noch auf der Suche nach Natascha K.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 55:13.38 Uhr – Die Beamten der Krim-Streife liefen zum Zivilfahrzeug und nahmen mit
Blaulicht die Verfolgung auf. Polizist A5, der das Zivilfahrzeug lenkte,
konnte bis auf ca. 10 m im Siedlungsgebiet Strasshof auf den roten
BMW 850i, W-4xxxxx, aufschließen. Als Wolfgang P. das Zivilfahrzeug
bemerkte, beschleunigte er seinen BMW 850i und fuhr von Strasshof
in Richtung Markgrafneusiedl, wobei er auf über 180 km/h
beschleunigte. Kurz vor Markgrafneusiedl bog Wolfgang P. mit seinem
Pkw rechts auf eine Schotterwerkzufahrtsstraße, in Richtung B8, ab.
Ab diesem Zeitpunkt verlor die Krim-Streife den Sichtkontakt zum Auto.
In weiterer Folge wurde eine Straßensperre in Deutsch-Wagram, Höhe
FF-Haus, auf der B8/L6 von den Patrouillen „Deutsch-Wagram 1“ und
„2“ errichtet. Die Krim-Streife kam in weiterer Folge zu dieser
Straßensperre, der Pkw des Wolfgang P. tauchte jedoch dort vorher
nicht auf. Der Genannte muss deshalb vor der Straßensperre nach
Parbasdorf abgebogen und in Richtung Raasdorf und Wien
weitergefahren sein. Die Krim-Streife begab sich daraufhin zur
Polizeiinspektion Deutsch-Wagram, wo in weiterer Folge die
Großfahndung nach Wolfgang P. ausgelöst wurde.
14.13 Uhr – Wolfgang P. stellte seinen BMW 850i, W-4xxxxx in der
Tiefgarage des Donauzentrums in 1220 Wien, Wagramerstraße 81,
ab.
14.17 Uhr – Wolfgang P. rief vom Telefon des Informationsschalters im
Donauzentrum in Wien 22., Wagramerstraße seinen Freund H8 auf
dessen Handy an, der sich zu diesem Zeitpunkt auf der A 23
(Sendebereich 1020 Wien, Wehlistraße) befand, und ließ sich von ihm
vor dem EKZ abholen. Seinen roten BMW 850i ließ er in der
Tiefgarage des Donauzentrums zurück.
14.20 Uhr – Der Polizist P10 (Kriminaldienst der PI Gänserndorf) wurde vorerst
alleine zum Anwesen des Wolfgang P. nach 2231 Strasshof,
Hxxxxstraße xx, abkommandiert. Er überwachte über Anordnung durch
den Polizisten B5 des BPK Gänserndorf, vom Zivilfahrzeug aus das
dortige Objekt.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 56:14.30 Uhr – Der Polizist A5 (Kriminaldienst Deutsch-Wagram) wurde ebenfalls zum
Anwesen des Wolfgang P. nach 2231 Strasshof gebracht und er
überwachte gemeinsam mit dem Polizisten P10 das Objekt bis zum
Eintreffen der weiteren Kräfte.
18.20 Uhr – Die Beamten der Tatortgruppe des LKA Burgenland, W2, S7 und K12,
trafen beim Tatobjekt in 2231 Strasshof, Hxxxxstraße xx, ein.
Da nicht auszuschließen war, dass etwaige Sprengfallen im Objekt
versteckt waren, wurde das EKO Cobra samt Entschärfungsdienst
angefordert, deren Beamten in weiterer Folge das Haus durchsuchten
und den Tatort zur Aufarbeitung freigaben. Danach wurde das
Wohnhaus des Wolfgang P. während der gesamten Tatortarbeiten
durch die Beamten des LKA Burgenland durchgehend von mehreren
Beamten des Bezirkes Gänserndorf (Außensicherung) sowie durch
installierte Alarmmelder (Innensicherung) rund um die Uhr bis zur
Freigabe des Tatobjektes am 4.10.2006 überwacht.
20.50 Uhr – Wolfgang P. verübte Selbstmord in 1020 Wien, Nordbahnstrecke Gleis
1, Km xx in Höhe Signal xx (Höhe Nordbahnstraße – Eberlgasse),
indem er sich vor die annähernde Zugsgarnitur auf den Gleiskörper
legte.
Schlussfolgerung:
Eine Versiegelung im Sinne des polizeilichen Sprachgebrauches ist nicht erfolgt (das
Anbringen polizeilicher Siegel an den Zutrittsmöglichkeiten).
Anhand des erhobenen Zeit-Weg-Diagrammes zum 23.8.2006 ist jedoch nahezu
auszuschließen, dass unbefugte Personen Zugang zum genannten Objekt erlangten und
Gegenstände an sich brachten. Der Tatort war lediglich ab dem ersten polizeilichen
Eintreffen beim Tatort Hxxxxstraße Nr. xx um 13.25 Uhr bis 14.20 Uhr unbewacht. Ab 14.20
Uhr war ein Exekutivbeamter vor Ort und spätestens ab dem Eintreffen eines zweiten
Beamten um 14.30 Uhr bestand eine durchgängige Überwachung des Tatobjektes.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 57:Es wäre in einem sehr schmalen Zeitfenster theoretisch möglich aber nicht verhinderbar
gewesen, dass Wolfgang P. bei seiner überstürzten Flucht diverse Gegenstände an sich
gebracht und unterwegs entsorgt oder an Dritte weitergegeben haben könnte. Jedoch ist
hierbei zu bedenken, dass es Wolfgang P.s erste Sorge war, die geflüchtete Natascha K.
unverzüglich wieder aufzufinden, bevor sie sich in Sicherheit bringen konnte. Erst nachdem
er die Nachfahrt der Polizei bemerkte, flüchtete er. Da H8 um 14.17 Uhr von Wolfgang P.
vom Donauzentrum aus angerufen wurde und sich dieser laut der Rufdatenauswertung im
Bereich A23 (Sendebereich 1020 Wien, Wehlistraße) aufgehalten hat, kann davon
ausgegangen werden, dass H8 schon rein zeitlich keine Gelegenheit zu einer Entnahme von
Gegenständen aus dem Haus gehabt hatte.
Aufgrund des raschen polizeilichen Einschreitens und der zeitnahen Überwachung des
Hauses in 2231 Strasshof, Hxxxxstraße Nr. xx, Bezirk Gänserndorf, NÖ, ist in Verbindung
mit den abgeschnittenen Kommunikationswegen des Wolfgang P. eine Entnahme von
potenziellen Beweismitteln durch Dritte nahezu auszuschließen. Die zunächst auf Sicherung
des Opfers und in weiterer Folge Verfolgung des Tatverdächtigen, der sich in einem
gefährlichen Ausnahmezustand befunden hat, zielenden polizeilichen Maßnahmen banden
sämtliche vor Ort verfügbaren polizeilichen Kräfte. Beweissichernde Maßnahmen wurden
zum ehestmöglichen Zeitpunkt veranlasst. Die rund um den Tatort aufhältigen Zeugen haben
im fraglichen Zeitraum keine Personen wahrgenommen, die das Grundstück des Wolfgang
P. in 2231 Strasshof, Hxxxxstraße xx, betreten hätten.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 58:3.2. Unverständlich ist, dass trotz des auffälligen Verhaltens des H8 am Abend des
23.08.2006 die ausdrückliche Weisung erteilt worden war, H8 sei als Zeuge zu
behandeln. Dies obwohl, wie sich aus dem Akt ergibt, sich H8 in einem
Ausnahmezustand befunden habe, auffallend nervös gewesen sei und
geschwitzt habe, weshalb die einschreitenden Beamten angefragt hatten, ob sie
eine Durchsuchung der Lagerhalle vornehmen sollten. Auch die Frage H8‘s
„Hot er si umbrocht“ ist aus dem Zusammenhang der Amtshandlung heraus
nicht zu erklären. Dazu kommt, dass diese Aussage in zweierlei Hinsicht
verstanden werden kann.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der SOKO Burgenland, GZ P-xx/02 VS
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Vorhabensbericht der StA Innsbruck, AZ: xx St xxx/10f v. 26.8.2011
. Angaben der Polizistin W3 vor der Evaluierungskommission ADAMOVICH am
4.4.2008
. Befragung der Beamten des LKA Burgenland, N2 und P11 am 20.9.2012 durch das
Evaluierungsteam
. Konvolut, übersendet von K10 an Mitglieder des Steering Committees
Sachverhalt:
Zeitablaufablauf des 23.8.2006
zwischen
Wolfgang P. und H8
Rekonstruktion laut Angaben des H8
23.8.2006, um 14:17 Uhr:
Anruf des Wolfgang P. vom Festnetzanschluss des Informationszentrums im Donauzentrum
in 1220 Wien, auf das Mobiltelefon von H8 mit der Anschlussnummer 0676/31xxxxx;
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 59:23.8.2006, ca. 14:30 Uhr:
Eintreffen des H8 mit seinem Fahrzeug, Marke KIA Carneval, grün lackiert, Kz W-1xxxxx, an
dem ein Einachsanhänger angehängt war. Nach den Angaben
von H8 habe er nach dem Eintreffen ein paar Minuten gewartet, bis Wolfgang P. zu seinem
Fahrzeug gekommen und auf der Beifahrerseite eingestiegen sei. Dabei habe er sein Knie
gehalten und sinngemäß gesagt: „Bring mich weg, bring mich weg, die Polizei ist hinter mir
her.“ Durch den Zustand von Wolfgang P. und durch dessen Äußerungen bedingt, wäre H8
von dort weg in der Folge gegen die Einbahn auf die Donaustadtstraße gefahren.
Strecke/Zeitangaben: Standort: Dauer
Am 23.8.2006, gegen 14.30 Uhr fuhr H8, nachdem Wolfgang
P. in seinen PKW eingestiegen war, vom Parkplatz
Schrödingerplatz in 1220 Wien (Donauzentrum), gegen die
Einbahn, auf die Donaustadtstraße bis zur Kreuzung
Wagramer Straße. Auf dieser Kreuzung bog er nach links in
die Wagramer Straße ein und fuhr stadteinwärts.
Auf Höhe des Hauses Wagramer Straße 57 (ca. 200 Meter
vom Abfahrtsort weg) erzählte Wolfgang P. erstmals H8 von
der Entführung der Natascha K.
Noch in 1220 Wien, auf der Kreuzung Wagramer Straße –
Platz der Vereinten Nationen, stand ein uniformierter Polizist
mit Funkgerät. Wolfgang P. sah offenbar diesen Polizisten
und hielt seine Hände vor das Gesicht.
In 1020 Wien, vermutlich auf der Kreuzung Lassalle Straße –
Vorgartenstraße, bog H8 nach rechts in die Vorgartenstraße
ab. Er schloss aber nicht aus, dass er auf der nächsten
Kreuzung, nämlich Lassalle Straße – Ernst Melchior Gasse,
nach rechts in diese Gasse einbog.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 60:Erstmals blieb H8 in 1020 Wien, in der Haussteinstraße,
(ident mit der Vorgartenstraße 129-143, Stiege 3) parallel
zum Fahrbahnrand in Fahrtrichtung Engerthstraße stehen.
Von diesem Standort aus rief H8 um 14:58 Uhr C1 an (das
Handy war im Senderbereich Engerthstraße 150, Stiege 6,
eingeloggt).
H8 und Wolfgang P. blieben während der gesamten Zeit im
Fahrzeug sitzen.
An diesem Standort gingen dann in der Folge Bauarbeiter mit
weißer Arbeitskleidung hin- und her bzw. am Fahrzeug
vorbei.
Laut Angaben des H8 sei die Situation an diesem Standort
für seinen Freund Wolfgang P. am Ärgsten gewesen. An
diesem Standort habe Wolfgang P. ihm gegenüber schon
gesagt, dass er sein Auto haben und damit gegen eine Wand
fahren wolle, um Selbstmord zu begehen.
An diesem Standort schaltete H8 auch alle Handys aus.
Vorher rief er noch C1 an und teilte ihm mit, dass er nach
Hause gehen könne. Da im Bereich 1020 Wien,
Engerthstraße, immer wieder Polizeifahrzeuge vorbeifuhren
und auch weiter Bauarbeiter vorbeigingen und sich
augenscheinlich wunderten, ersuchte Wolfgang P. aus Angst
erkannt zu werden, den Standort zu wechseln.
H8 fuhr von diesem Standort auch deshalb weg, um eine
geeignete Stelle für den von Wolfgang P. beabsichtigten
Selbstmord zu finden.
H8 gibt dazu an: „Na, ich habe ihm nicht gesagt, das soll er
nicht machen, sondern ich wollte ihm indirekt beweisen, dass
das sowieso nicht geht.“
1. Standort:
Haussteinstraße ungefähr 1 Stunde
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 61:Nach dem Wegfahren vom Standort in 1020 Wien,
Haussteinstraße, fuhr er über die Engerthstraße –
Weschelstraße – Vorgartenstraße – Holubstraße
(Hausdurchfahrt) – Engerthstraße – Pielachgasse.
Auf Höhe Pielachgasse/Innstraße wendete er sein Fahrzeug
und fuhr die Engerthstraße über die Lassallestraße bis zum
Praterstern.
Am Praterstern nahm er die Ausfahrt Nordbahnstraße, fuhr
diese stadtauswärts und hielt sein Fahrzeug gegenüber dem
Objekt Nordbahnstraße 8 an.
H8 blieb vorerst gemeinsam mit Wolfgang P. im Fahrzeug
sitzen, stieg dann aus, zog seinen Angaben nach den
Zündschlüssel ab und begab sich zur ca. 70 Meter entfernten
Avanti-Tankstelle (Nordbahnstraße 1) um dort „Schokolade
und Getränke“ zu kaufen.
Nach dem Einkauf bei der Tankstelle kehrte H8 wieder zu
Fuß zum Fahrzeug zurück und stieg in dieses ein. Seinen
Angaben nach wären sie an diesem Standort ca. 1 Stunde
gestanden. In der Folge nahmen H8 und Wolfgang P. wahr,
dass aus einem dem Standort gegenüberliegenden Haus
eine Frau aus dem Fenster schaute.
Auch an diesem Standort fuhren ab und zu Polizeifahrzeuge
vorbei. Wolfgang P. war dadurch beunruhigt, wiederum in
Panik geraten und habe ihn abermals ersucht, diesen
Standort zu wechseln.
2. Standort:
Nordbahnstraße gegenüber Objekt 8 ungefähr 1 Stunde
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 62:H8 fuhr dann von diesem Standort in Richtung 1020 Wien,
Dresdner Straße, wendete dann das Fahrzeug und fuhr dann
auf der Nebenfahrbahn der Nordbahnstraße, wo er in Höhe
des Objektes 12 parallel vor diesem stehen blieb.
Vorerst blieb H8 gemeinsam mit Wolfgang P. im Fahrzeug
sitzen. Während sie an diesem Standort insgesamt ungefähr
ein bis eineinhalb Stunden standen, fuhren auch wieder
Polizeifahrzeuge vorbei.
H8 und Wolfgang P. stiegen dann aus dem Fahrzeug aus, da
sich Wolfgang P. ein Versteck für die Nacht suchen wollte.
H8 und Wolfgang P. überquerten die Nordbahnstraße und
begaben sich hinter die zur Nordbahnstraße parallel
verlaufende Plakatwand. Dort gingen sie den asphaltierten
Weg entlang in Richtung Praterstern bis zum Beginn einer
leichten Anhöhe. Hinter der dortigen Plakatwand befanden
sich höhere Gebüsche und Gerümpel.
H8 und Wolfgang P. gingen an dieser Örtlichkeit weniger als
eine halbe Stunden spazieren. Wolfgang P. fand dann noch
bei Tageslicht hinter der Plakatwand eine geeignete Stelle
zum Übernachten.
Anschließend kehrten H8 und Wolfgang P. wieder zum
Standort des geparkten Fahrzeuges auf der Nebenfahrbahn
der Nordbahnstraße vor dem Objekt 12 zurück und stiegen in
das Fahrzeug ein. Wolfgang P. ersuchte H8, bis zum Eintritt
der Dunkelheit bei ihm zu bleiben.
H8 übergab dann an diesem Standort über Ersuchen des
Wolfgang P. einen Zettel, auf den dieser dann das Wort
„Mama“ schrieb.
3. Standort:
Nebenfahrbahn Nordbahnstraße vor dem Objekt 12 ungefähr 1 Stunde bis 1 ½ Stunden.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 63:Vom dritten Standort fuhren sie dann wieder weg und
drehten einige Runden, wobei H8 die genaue Fahrtstrecke
nicht mehr erinnerlich ist. Jedenfalls kamen sie dann in die
Eberlgasse in 1020 Wien, wo H8 sein Fahrzeug nächst der
Kreuzung Nordbahnstraße wieder einparkte. Auch an diesem
Standort standen sie ungefähr eine Stunde.
Wolfgang P. stieg, als es bereits dämmrig war, aus dem
Fahrzeug aus und verabschiedete sich von H8, indem er ihm
die Hand gab.
H8 sah dann noch, dass sich Wolfgang P. von seinem
Fahrzeug weg in Richtung Plakatwand bewegte, wo er zuvor
gemeinsam mit Wolfgang P. spazieren gegangen war und
sich Wolfgang P. ein geeignetes Versteck gesucht hatte.
H8 verließ dann gegen 20.00 Uhr diesen Standort, drehte
das Radio im Auto auf und hörte, dass die Geschäfte im
Donauzentrum geschlossen haben und das Donauzentrum
im Zusammenhang mit dem Entführungsfall K. durchsucht
werde.
H8 fuhr dann von der Eberlgasse über den Praterstern, die
Lände und die Südosttangente direkt zu seiner
Veranstaltungshalle in 1230 Wien, Pxxxxxxxstraße xx.
4. Standort:
Eberlgasse nächst der Kreuzung Nordbahnstraße ungefähr 1 Stunde
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 64:Zusammenfassung – Aufenthalte an den Standorten:
Standort Örtlichkeit Aufenthaltsdauer:
1. 1020 Wien, Haussteingasse 1 Stunden (ungefähr)
2. 1020 Wien, Nordbahnstraße gegenüber Objekt 8 1 Stunde (ungefähr)
3. 1020 Wien, Nordbahnstraße – Nebenfahrbahn vor dem Objekt 12 1 – 1 ½ Stunden (ungefähr)
4. 1020 Wien, Eberlgasse 1 Stunde (ungefähr)
Nach der Erstbefragung der Natascha K. und der Flucht des Wolfgang P. fand in den
Nachmittagsstunden des 23.8.2006 in den Räumlichkeiten des damaligen Sicherheitsbüros
in Wien eine Einsatzbesprechung zur Koordination der Fahndung nach dem flüchtigen
Tatverdächtigen, Wolfgang P., statt. Im Zuge dieser Fahndung wurden unter anderem die bis
zu diesem Zeitpunkt mit der Fallbearbeitung nicht befassten Beamten des LKA Burgenland,
N2 und P11 auch zur Geschäftsadresse des H8, einem Geschäftspartner des Wolfgang P.,
nach 1230 Wien, Pxxxxxxxstraße xx, Objekt xx, beordert, mit dem Auftrag, H8 im Zuge der
Fahndung nach Wolfgang P. als Auskunftsperson zu befragen. Bei diesem Einsatz wurden
sie durch Kräfte der EGS Wien sowie der WEGA unterstützt.
Der an diesem Standort tatsächlich angetroffene H8 verhielt sich im Zuge der Befragung
gegen 22.30 Uhr durch die Polizistin W3 der EGS Wien insofern auffällig, als er ohne genaue
Kenntnis über den Grund des Einschreitens gegenüber der genannten Polizeibeamtin
äußerte: „Wieso, hot er si umbrocht?“ und auf nochmalige Nachfrage „Hot er si umbrocht?“
Daneben wies H8 massive äußere Anzeichen für einen Ausnahmezustand, wie heftiges
Schwitzen, große Nervosität, extrem blasses glänzendes Gesicht, auf. Die Polizistin W3
stellte an H8 unverzüglich die Frage, wen und was er damit meinen würde. Noch bevor H8
antworten konnte, wurde das Gespräch von seiner anwesenden Schwester, W1,
unterbrochen und in weiterer Folge beendet.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 65:Die von der Polizistin W3 ausführlich und intensiv über diese Umstände informierten
Kriminalbeamten des LKA Burgenland, N2 und P11 veranlassten – offensichtlich aufgrund
einer Fehleinschätzung der Verdachtslage – die weitere Behandlung des H8 als
„Auskunftsperson“ und führten in weiterer Folge in den Räumen des Sicherheitsbüros in
Wien dessen erste niederschriftliche Befragung als Auskunftsperson durch.
Im Zuge dieser Einvernahme wurde H8 von den Kriminalbeamten des LKA Burgenland
vorgehalten, dass er von der Polizistin W3 auf den Fall K. aufmerksam gemacht worden sei.
Der Genannte gab dazu an, dass er mit der Frage: „Hat er sie umgebracht?“ gemeint habe,
ob Wolfgang P. sie (Natascha K.) damals im Zuge der Entführung umgebracht habe. Bei
seiner niederschriftlichen Einvernahme am 13.11.2009 räumte H8 erstmals ein, dass ihm
Wolfgang P. im Zuge seines sechsstündigen Zusammenseins am 23.8.2006 eine
„Lebensbeichte“ ablegte, in der er die Entführung und Gefangenhaltung der Natascha K.
gestand. Ob H8 darüber hinausgehend am 23.8.2006 via Medien Kenntnis über die
Fahndung nach Wolfgang P. im Zusammenhang mit dem Entführungsfall Natascha K.
erlangte, ist nach der Aktenlage nicht nachvollziehbar.
Schlussfolgerung:
Die Behandlung des H8 nach seinem verdächtigen Verhalten gegenüber der EGS-Beamtin
W3 als „Auskunftsperson“ erfolgte aufgrund einer eigenständigen Entscheidung der vor Ort
einschreitenden Beamten des LKA Burgenland, insbesondere da nach ihrem damaligen
Kenntnisstand das Opfer Natascha K. bei den Befragungen nach ihrer Flucht glaubhaft
Wolfgang P. als Einzeltäter bezeichnete. Dies muss – gerade auch im Zusammenhang mit
der Frage von H8 „Hot er si umbrocht?“ – als Fehleinschätzung beurteilt werden. Eine
Weisungserteilung seitens vorgesetzter Dienststellen bzw. der Staatsanwaltschaft oder des
Gerichtes ist aufgrund der Ermittlungsergebnisse diesbezüglich auszuschließen.
Der Ausdruck im Dialekt, „Hot er si umbrocht?“ kann zwei verschiedene Bedeutungen haben,
nämlich: „Hat er sich (Wolfgang P.) umgebracht?“ oder: „Hat er sie (Natascha K.)
umgebracht?“. H8 ließ bei seinem ersten Zusammentreffen mit der Polizistin W3 am
23.8.2006, gegen 22.30 Uhr in 1230 Wien, Pxxxxxxxstraße xx, Objekt xx, die von der
Beamtin gestellte Frage, wen und was er mit dem Ausdruck: „Hot er si umbrocht?“ meinte,
unbeantwortet. Da H8 am 13.11.2009 niederschriftlich angab, im Rahmen der
„Lebensbeichte“ bereits zuvor durch Wolfgang P. in die Tatumstände der Entführung und
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 66:Gefangenhaltung der Natascha K. eingeweiht worden zu sein, und auch über die
Selbstmordabsichten des Genannten informiert war, liegt der Schluss nahe, dass H8 mit
dieser Äußerung einen möglichen Suizid seines Freundes Wolfgang P. ansprach. Seine bis
zu diesem Zeitpunkt anderslautenden Angaben erklärte H8 später gegenüber einem
Journalisten selbst als „taktische Lüge“, um einer Festnahme an diesem Abend zu entgehen.
3.3. In Medien wurde von einer Hausdurchsuchung bei H8 berichtet, bei der
angeblich ein dem Wolfgang P. gehöriger Laptop gefunden worden war, auf
dem große Datenmengen gelöscht worden waren. Diesbezügliche
Aktenvorgänge sind dem Unterausschuss jedoch nicht vorgelegen. Die
Auswertung der Daten einschließlich einer forensischen Wiederherstellung von
Dateien wäre jedoch von großer Bedeutung gewesen.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der SOKO Burgenland, GZ P-xx/02 VS
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Medienauswertungen
Sachverhalt:
Die Medienberichte über eine angebliche Hausdurchsuchung bei H8 mit Sicherstellung eines
Laptops finden in den Ermittlungsunterlagen keine Deckung. Tatsache ist, dass es bei H8
niemals eine Hausdurchsuchung oder Sicherstellung eines Laptops gegeben hat. Es fand
lediglich eine von H8 ermöglichte freiwillige Nachschau zum Zwecke der Suche nach dem
flüchtigen Wolfgang P. in seiner Lagerhalle in Wien 23., statt, bei der aber kein Laptop oder
sonstige beweisrelevanten Beweisgegenstände sichergestellt wurden.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 67:Schlussfolgerung:
Die diesbezüglichen Medienberichte hielten einer umfangreichen Überprüfung nicht stand,
finden insbesondere in der Aktenlage keine Deckung; vielmehr erwiesen sie sich als bloße
Spekulation.
3.4. Schließlich ist es aus Sicht der Ermittlungen problematisch, dass vom Tage-
buch der Natascha K. und der vorgefundenen Videokassetten vor der
Ausfolgung an sie nicht Kopien für den Akt angefertigt wurden.
Darüber hinaus gibt es, was die Sichtung des Videomaterials anlangt, Wider-
sprüche zwischen der Staatsanwaltschaft und den Ermittlungsbehörden.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der SOKO Burgenland, GZ P-xx/02 VS
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Akt des LG für Strafsachen Wien, Zl. xxx Ur xx/03k
. Befragung der Beamten des LPK Burgenland S6, R5, K7 und F6 am 20.9.2012
durch das Evaluierungsteam
. Auswertung der staatsanwaltlichen Tagebücher (= Arbeitsbehelf) der
Staatsanwaltschaft Wien
. Befragung des damals zuständigen Staatsanwaltes Mag. K11 am 25.9.2012 durch
das Evaluierungsteam
. Befragung des damals zuständigen Untersuchungsrichters Dr. G2 am 5.10.2012
durch das Evaluierungsteam
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 68:Sachverhalt:
Nach vollständiger Sichtung der 30 Stück sichergestellten Videokassetten konnten lediglich
auf sieben Kassetten private Aufnahmen wahrgenommen werden. Diese Kassetten wurden
in weiterer Folge vom Untersuchungsrichter Dr. G2 und den fallbefassten Beamten der
SOKO Burgenland (sowie unter teilweiser Anwesenheit von Staatsanwalt Mag. K11)
ausgewertet, wobei keinerlei beweisrelevantes Substrat enthalten war. Nach Auswertung
des sichergestellten Beweismaterials (einschließlich des Tagebuches) wurden die nicht
beweisrelevanten Beweismittel wegen Wegfalls der Grundlagen der Sicherstellung dem
Berechtigten ohne Anfertigung von Kopien, entsprechend den einschlägigen strafrechtlichen
Bestimmungen, wieder ausgefolgt.
Aufgrund einiger in den Medien veröffentlichter Aktenteile vereinbarte die SOKO Burgenland
mit dem zuständigen Untersuchungsrichter und Staatsanwalt, bezüglich der Verwahrung und
Auswertung auch hinsichtlich des sichergestellten Videomaterials folgende Vorgangsweise:
Nach Vorsichtung des Beweismaterials durch Beamte der SOKO Burgenland waren die
Person der Natascha K. darstellende Bildinhalte ohne weitere Sichtung versiegelt dem
Gericht vorzulegen und dort zu verwahren. Die weitere Sichtung dieser Aufnahmen wurde
vom zuständigen Untersuchungsrichter, gemeinsam mit den aktenführenden Beamten der
SOKO Burgenland durchgeführt.
Die Sichtung des sichergestellten Videomaterials erfolgte in Entsprechung dieser Ver-
einbarung und ergab keinerlei beweisrelevantes Substrat.
Schlussfolgerung:
Gemäß § 114 Abs. 2 StPO sind sichergestellte Gegenstände sogleich an die Berechtigten
auszufolgen, wenn der Grund der weiteren Verwahrung nach § 110 Abs. 1 StPO wegfällt.
Eine (Aufrechterhaltung einer) Sicherstellung ohne Beweisrelevanz „einfach zur Sicherheit“
ist unzulässig (Tipold/Zerbes, WK-StPO §110 Rz 49). Die Dauer der Sicherstellung (und
damit wohl auch substituierender Maßnahmen) ist so gering wie möglich zu halten
(Tipold/Zerbes, WK-StPO §110 Rz 51). Im vorliegenden Fall ergab sich aus der
vollständigen Sichtung des Beweismaterials (Videokassetten, schriftliche Aufzeichnungen,
Fotos...) durch die Kriminalpolizei, zum Teil gemeinsam mit dem Untersuchungsrichter,
keinerlei beweisrelevantes Substrat für ein Strafverfahren, sodass hier nach der oben
zitierten Bestimmung (auch unter Bedachtnahme auf § 5 StPO) – zutreffend ohne
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 69:Anfertigung von Kopien – nach § 110 Abs. 4 StPO vorgegangen wurde. Diese
Vorgangsweise entsprach auch den Grundsätzen und dem Regulativ der mit 1.1.2008 außer
Kraft getretenen Fassung der StPO (Tipold/Zerbes, WK-StPO altes Vorverfahren §143 Rz 5ff
und Rz 48ff) und war daher in Ansehung der gesamten Dauer des Ermittlungsverfahrens
StPO-konform.
Die im Kommuniqué unkonkret angeführten Widersprüche zwischen der Staatsanwaltschaft
und den Ermittlungsbehörden betreffend die Sichtung des Videomaterials sind für das
Evaluierungsteam nicht ersichtlich.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 70:4. Sonstige ungeklärte Zusammenhänge
4.1. Die Durchleuchtung der Vermögensverhältnisse sowie der Vermögensver-
schiebungen nach dem Ableben des Wolfgang P. ist niemals erfolgt. Dem
Unterausschuss lagen dazu auch keine Akten vor.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der SOKO Burgenland, GZ P-xx/02 VS
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Vorhabensbericht der StA Innsbruck, AZ: xx St xxx/10f vom 26.8.2011
. Verlassenschaftsakt des Wolfgang P. beim Bezirksgericht Gänserndorf, NÖ
. Firmen- und Grundbuchsabfragen
. Schreiben des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom 20.2.2013
Sachverhalt:
Wolfgang P. war vor seinem Ableben im Besitz von 24 % der Geschäftsanteile der am
16.11.1994 gegründeten xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx mit Sitz in xxxxxxxxxx. Xxxxx war
alleiniger Geschäftsführer und hielt die restlichen 76 % der Geschäftsanteile. Am 1.2.2008
wurde die Gattin des xxxxxx, xxxxxx, als alleinige Geschäftsführerin bestellt und xxxxx
erwarb am 8.3.2008 um xxxxxxxxx (laut SV-Gutachten im Verlassenschaftsverfahren) die
restlichen 24 % der Geschäftsanteile.
Wolfgang P. erhielt am xx.xx.xxxx von xxxxxxxxxxxxxxxxxx einen Bargeldbetrag von
xxxxxxxxxxxxxxx. Am xx.xx.xxxx zahlte Wolfgang P. den Betrag xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
auf das xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx ein, von wo am
xx.xx.xxxx der Betrag von xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
überwiesen wurde. xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx teilte bei seinen ersten
niederschriftlichen Angaben mit, dass er Wolfgang P. den Betrag von
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx für einen angeblichen Pkw-Ankauf (Porsche) geborgt habe.
Aufgrund der durchgeführten Erhebungen änderte xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx jedoch
seine damalige Verantwortung und teilte mit, dass es sich bei dem Betrag
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 71:xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx um xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
habe. Durch diesen gewählten Geldfluss über Wolfgang P. und das Konto
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx sollte
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx und als
Darlehen an Wolfgang P. dargestellt werden. Die aushaftenden xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
seien von Wolfgang P. wegen angeblicher Sachauslagen (Materialeinkäufe) einbehalten
worden.
Wolfgang P. versteuerte in den Jahren 1994 bis 2004 Einkünfte aus Zinserträgen in der
Höhe zwischen xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx (1994) und xxxxxxxxxxxxxxxxxxx (2004), die ihm von
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx aufgrund eines diesem in der Zeit zwischen 1994 und 1996
gewährten Darlehens in der Höhe von xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx zugeflossen waren. Selbst
wenn Wolfgang P. in den Jahren 2005 und 2006 Zinserträge in gleicher Höhe wie im Jahr
2004 lukriert hätte, wäre sein Gesamteinkommen aufgrund der geringfügigen Einkünfte aus
nicht selbständiger Arbeit nicht steuerpflichtig gewesen, sodass in Bezug auf die zuletzt
genannten Jahre auf eine Veranlagung verzichtet wurde.
Wolfgang P. besaß vor seinem Ableben am 23.8.2006
. 2/3 des Wohnhauses in xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx, Bezirk Gänserndorf, NÖ
(1/3 gehörte xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx)
. Wohnung in xxxxxxxxxxxxx, Hxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xx
. Wohnung in xxxxxxxxxxxxx, Sxxxxxxxxxxplatz xx
. Pkw, Marke BMW 850i, rot, Baujahr 1991
. Lkw, Mercedes Benz 211 CDI, Baujahr 2000
. diverse persönliche Gegenstände, Bargeld, Schmuck und Inventar
Außerdem konnte nach seinem Ableben festgestellt werden, dass Wolfgang P. diverse
Kontoverbindungen bei der xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx (2 Wertpapierdepots) sowie der
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx (Wertpapierdepot sowie Wertpapierverrechnungskonto) hatte.
Nach dem Tod des Wolfgang P. wurde am 2.10.2006 die Schwester xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx,
xxxxxxxxxxxxxxxxx, von der xxxxxxxxxxxxxxx Wolfgang P., xxxxxxxxxxxxxx, bevollmächtigt,
die Verlassenschaft xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx abzuwickeln.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 72:Mit Schreiben vom 2.12.2007 meldete xxxxxxxxxxxxxxx eine Forderung in der Höhe von
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx gegenüber der Verlassenschaft nach Wolfgang P. beim
Bezirksgericht Gänserndorf zu xx A xxx/06d an. Er behauptete, seit 6.7.2001 Wolfgang P. für
diverse Anschaffungen (Wohnung Sxxxxxxxxxplatz, Rückzahlung des Wohnbaudarlehens,
div. Investitionen für Auto und Haus, Wohnung Hxxxxxxxxxxxxx usw.) Geld geborgt zu
haben. Beilagen (Belege) zu diesem Schreiben sind nicht aktenkundig. Laut Schreiben des
Finanzamtes Wien 8/16/17 vom 20.2.2013 bestand per Ende 2004 noch immer eine
Forderung des Wolfgang P. an xxxxxxxxxxxxxxxxxxx im Ausmaß von
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx eines Darlehens xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx, das Wolfgang P.
zwischen 1994 und 23.4.1996 dem xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx gewährt hatte.
Am 6.12.2007 bzw. 17.12.2007 wurden im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens die 2/3
Anteile des Wolfgang P. seines Anwesens in xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx, Bezirk
Gänserndorf, NÖ, um xxxxxxxxxxxxxxxxx sowie dessen Pkw, Marke BMW 850i, rot lackiert,
um xxxxxxxxxxxxxxxxx vom Bezirksgericht Gänserndorf unter do. Zl. xxA xxx/06d
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx übertragen.
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx.
Am 7.1.2008 wurden im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens die beiden Wohnungen des
Wolfgang P. in xxxxxxxxx, Hxxxxxxxxxxxxxx xx, um xxxxxxxxxxxxxxxx und in
xxxxxxxxxxxxxxxx, Sxxxxxxxxxplatz xx, um xxxxxxxxxxxxxxxxx sowie dessen Lkw, Mercedes
Benz 211 CDI, xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx vom Bezirksgericht Gänserndorf unter do. Zl. xxA
xxx/06d xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx übertragen.
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx.
Am 11.1.2008 kaufte xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx, den
restlichen 1/3 Anteil des Anwesens xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx, Bezirk
Gänserndorf, NÖ, um insgesamt xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 73:Schlussfolgerung:
Von den aktenbefassten Beamten wurden umfangreichste Erhebungen zur Durchleuchtung
der Vermögensverhältnisse des Wolfgang P. sowie des xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
durchgeführt. Außerdem wurden die Vermögensverschiebungen (Immobilien, Kfz,
Geldflüsse) nach dem Ableben des Wolfgang P. ebenfalls akribisch durchforstet sowie die
erforderlichen Bank- und Überweisungsbelege (soweit noch vorhanden) eingeholt.
Aufgrund der durchgeführten Erhebungen konnte festgestellt werden, dass ein Teil vom
Vermögen (2 Wohnungen in Wien, 1 Lkw Mercedes 211 CDI) des Wolfgang P., aufgrund von
angeblich bestehenden Forderungen gegenverrechnet wurde und ins Eigentum des
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx überging. Festzuhalten bleibt, dass xxxxxxxxxxxxxxxxxxx nach
den Unterlagen des Finanzamtes Schulden xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Wolfgang P. hatte.
Dieser Umstand ist im Verlassenschaftsverfahren nicht aktenkundig geworden.
Demgegenüber meldete xxxxxxxxxxxxx die oben bezeichnete Forderung gegenüber der
Verlassenschaft nach Wolfgang P. an. Dieser mögliche Widerspruch erscheint im Lichte der
niederschriftlichen Aussagen der xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx, am 2.11.2009
überprüfungsbedürftig. xxxxxxxxxxxxx gab dabei an, sie habe xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx nach
dem Tod xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx konkret darauf angesprochen, ob Wolfgang P. dem
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx noch Geld geschuldet habe, was dieser mit den Worten „nein, im
Gegenteil“ beantwortete.
Dieses mit dem Entführungsfall K. nicht im Zusammenhang stehende Verhalten des
xxxxxxxxxxxxxxxx im Verlassenschaftsverfahren nach Wolfgang P. (BG Gänserndorf, xxA
xxx/06d) wurde den zuständigen Strafverfolgungsbehörden zur Kenntnis gebracht.
Betreffend den Geldfluss von xxxxxxxxxxxxxxxx im März 1998 zwischen Wolfgang P. und
xxxxxxxxxxxxxxxxxxx ist in der Tat der zeitliche Konnex zur Entführung gegeben. Überdies
dürfte es sich bei diesem Geldtransfer offensichtlich um den einzigen Fall handeln, bei
welchem eine solche Summe in dieser Größenordnung von xxxxxxxxxxxxxxxxxx an
Wolfgang P. in bar übergeben und über das Konto von xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx,
zurückgeführt wurde.
Aufgrund des Ablebens des Wolfgang P. konnten die Angaben des xxxxxxxxxxxxxxxxx,
insbesondere die letzte Verantwortung des Genannten,
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx,
aufgrund der gesamten Ermittlungsergebnisse (insbesondere auch unter Berücksichtigung
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 74:der die Möglichkeit einer Tatbeteiligung eines „Anderen“ einräumenden Erstangaben der
Natascha K.) im Ergebnis nicht widerlegt werden. Nachdem xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
laut Steuerakten in der Zeit vom 7.4.1997 bis 10.3.1998
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx verkauft
und xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx, erscheint die Behauptung
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx für diese Geldbewegung glaubhaft. Aufgrund
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx es dem Finanzamt nicht mehr möglich, diese Einkünfte
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx.
Konkrete Anhaltspunkte für einen Zusammenhang dieses Geldflusses mit Bautätigkeiten am
Verlies oder sonstigen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Entführung der Natascha
K. liegen jedenfalls nicht vor.
4.2. Auffällige Telefonkontakte gibt es zwischen G4 und H8 In diesem
Zusammenhang gibt es auch keine überzeugende Erklärung der Speicherung
der Telefonnummer des B2 unter „Be kind slow“ auf dem Mobiltelefon von H8.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der SOKO Burgenland, GZ P-xx/02 VS
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Vorhabensbericht der StA Innsbruck, AZ: xx St xxx/10f vom 26.8.2011
Sachverhalt:
a.) H8 – G3G4
Im Zuge der durchgeführten Rufdatenrückerfassung für den Zeitraum 7.3.2006 bis 7.9.2006
konnte festgestellt werden, dass H8 mit seinen Mobiltelefonanschlüssen 0699/10xxxxxxxxxx
bzw. 0676/31xxxxxxxxxx mit dem Mobiltelefonanschluss 0699/10xxxxxxxxxx, angemeldet
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 75:auf G4 (verwendet, zufolge unwiderlegbarer Behauptung des Ehepaares G3G4, vom
Ehegatten G3), beschäftigt im „xxxxxxxx Shop“ in Wien, mehrere Aktiv- und
Passivgespräche geführt bzw. SMS verschickt hat.
1 20.3.06, 14:25 Dauer 56 Sek. H8 ruft G3G4 Bewertung: Gespräch
2 21.3.06, 11:11 ---------- H8 an G3G4 Bewertung: SMS
3 28.3.06, 15:21 Dauer 151 Sek. H8 ruft G3G4 Bewertung: Gespräch
4 24.4.06, 15:02 Dauer 76 Sek. H8 ruft G3G4 Bewertung: Gespräch
5 25.4.06, 10:15 Dauer 4 Sek. H8 ruft G3G4 Bewertung: Anrufversuch
6 25.4.06, 10:27 Dauer 4 Sek. H8 ruft G3G4 Bewertung: Anrufversuch
7 26.4.06, 11:12 Dauer 6 Sek. H8 ruft G3G4 Bewertung: Anrufversuch
8 26.4.06, 11:13 Dauer 4 Sek. H8 ruft G3G4 Bewertung: Anrufversuch
9 2.5.06, 16:38 Dauer 4 Sek. H8 ruft G3G4 Bewertung: Anrufversuch
10 3.5.06, 12:07 Dauer 3 Sek. H8 ruft G3G4 Bewertung: Anrufversuch
11 3.5.06, 12:09 Dauer 328 Sek. G3G4 ruft H8 Bewertung: Gespräch
12 9.5.06, 14:07 Dauer 42 Sek. G3G4 ruft H8 Bewertung: Gespräch
13 11.5.06, 13:28 Dauer 31 Sek. H8 ruft G3G4 Bewertung: Gespräch
14 11.5.06, 13:30 Dauer 48 Sek. G3G4 ruft H8 Bewertung: Gespräch
15 20.6.06, 12:06 Dauer 7 Sek. H8 an G3G4 Bewertung: Anrufversuch
16 20.6.06, 12:08 ---------- H8 an G3G4 Bewertung: SMS
17 4.7.06, 16:29 Dauer 24 Sek. H8 ruft G3G4 Bewertung: Gespräch
18 25.7.06, 12:02 Dauer 3 Sek. H8 ruft G3G4 Bewertung: Anrufversuch
b.) H8 – B1B2
Im Telefonspeicher des Mobiltelefonanschlusses von H8 mit der Anschlussnummer
0699/10xxxxxx war das Pseudonym „Be kind slow“ gespeichert, wobei der dazugehörige
Mobiltelefonanschluss 0699/19xxxxxx auf B2 angemeldet war, jedoch von seiner Gattin, B1,
verwendet wurde.
Aufgrund einer durchgeführten Rufdatenrückerfassung für den Zeitraum vom 7.3.2006 bis
7.9.2006 konnte weiters festgestellt werden, dass zwischen den beiden angeführten
Mobiltelefonanschlüssen (H8 – B1B2) sowohl aktiv als auch passiv Gespräche geführt
wurden.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 76:1 23.4.06, 14:47:00 Dauer 56 Sek. B1B2 ruft H8 Bewertung: Gespräch
2 25.4.06, 16:32:06 Dauer 111 Sek. B1B2 ruft H8 Bewertung: Gespräch
3 25.4.06, 17:37:24 Dauer 29 Sek. B1B2 ruft H8 Bewertung: Gespräch
4 2.5.06, 16:42:16 Dauer 4 Sek. H8 ruft B1B2 Bewertung: Anrufversuch
5 2.5.06, 16:54:46 Dauer 3 Sek. H8 ruft B1B2 Bewertung: Anrufversuch
6 2.5.06, 18:44:21 Dauer 42 Sek. B1B2 ruft H8 Bewertung: Gespräch
H8 führte dazu an, dass ihm B1 und B2 unbekannt seien und er sich das Pseudonym „Be
kind slow“ auf seinem Telefonspeicher nur so erklären könne, dass diese Speicherung bei
einem Handytausch von Wolfgang P. durchgeführt worden sei.
B1 und B2 teilten dazu unwiderlegbar mit, dass ihnen H8 und Wolfgang P. vollkommen
unbekannt seien und sie sich das gespeicherte Pseudonym „Be kind slow“ am
Handyspeicher des H8 nicht erklären können.
Schlussfolgerung:
Laut Erhebungen und Zeugeneinvernahmen des .BK ist nicht zu widerlegen, dass es
lediglich Telefonkontakt zwischen H8 und G3 im vorstehend angeführten Zeitraum wegen
fälliger Betriebskostenrückstände gegeben hat. Es gab im Zeitraum vom 20.3.06 bis zum
25.7.2006 diesbezüglich 8 tatsächlich geführte Telefonate bzw. 8 weitere Anrufversuche
sowie 2 SMS-Kontakte. Der letzte Anrufversuch seitens H8 fand am 25.7.2006, um 12.02
Uhr statt. Danach sind laut Rufdatenrückerfassung keine Kontakte mehr evident. Ein
zeitlicher Zusammenhang mit dem Freikommen der Natascha K. am 23.8.2006 ist nicht
erkennbar.
Weiters konnte aufgrund von Erhebungen und Zeugeneinvernahmen des .BK festgestellt
werden, dass es im vorstehend angeführten Zeitraum zwischen den Handyanschlüssen des
H8 und des B2 bzw. der B1 lediglich 4 tatsächlich geführte Telefonate bzw. 2 weitere
Anrufversuche gegeben hat. Das letzte Telefonat fand am 2.5.2006, um 18.44 Uhr statt.
Danach sind laut Rufdatenrückerfassung keine Kontakte mehr evident.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 77:Trotz umfangreicher Erhebungen konnte nicht abgeklärt werden, warum auf dem
Telefonspeicher des Mobiltelefonanschlusses 0699/10xxxxxx des H8 der
Mobiltelefonanschluss 0699/19xxxxxx, angemeldet auf B2, verwendet von dessen Ehegattin,
B1, unter dem Pseudonym „Be kind slow“ gespeichert war und wer tatsächlich vom
Mobiltelefonanschluss des H8 die Telefonate mit dem Mobiltelefonanschluss von B2 führte
und umgekehrt.
Aufgrund der durchgeführten Rufdatenrückerfassung wurde festgestellt, dass es
telefonischen Kontakt zwischen den Handyanschlüssen des H8 sowie des B2 bzw. der B1
gegeben hat. Laut niederschriftlichen Angaben des H8 sowie der B1 bzw. des B2 seien sie
sich vollkommen unbekannt, könnten sich an diese Telefonate in keiner Weise erinnern und
auch die Speicherung des Pseudonyms „Be kind slow“ auf dem Handy des H8 nicht
erklären. Obwohl diese Angaben unglaubwürdig erscheinen, konnte lediglich nachgewiesen
werden, dass zwischen den Anschlüssen der betroffenen Personen Telefonkontakt bestand.
Wer diese Gespräche tatsächlich führte und zu welchem Zweck lässt sich daher nicht mehr
nachvollziehen.
Auch die durchgeführten nationalen und internationalen Abfragemöglichkeiten über die
Bedeutung des Pseudonyms „Be kind slow“ sowie die diesbezüglichen Erhebungen und
Befragungen im Rotlichtmilieu verliefen allesamt negativ.
Es gab im Zeitraum vom 23.4.2006 bis zum 2.5.2006 lediglich vier telefonische Kontakte und
zwei Anrufversuche. Ein zeitlicher Zusammenhang mit dem Freikommen der Natascha K.
am 23.8.2006 ist nicht erkennbar.
Selbst unter Annahme eines kompromittierenden Hintergrundes dieser Telefonkontakte lässt
sich aufgrund der Ermittlungsergebnisse eine Relevanz für den Entführungsfall K. nicht
begründen.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 78:4.3. Ferner gab es eine Reihe von Verbindungen aus dem Umfeld des Wolfgang P.
zur Rotlicht-Szene. Ob diese Beziehungen im Zusammenhang mit dem Fall
Natascha K. gestanden sind, ist allerdings nicht nachzuweisen gewesen.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der SOKO Burgenland, GZ P-xx/02 VS
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Vorhabensbericht der StA Innsbruck, AZ: xx St xxx/10f vom 26.8.2011
Sachverhalt:
Aufgrund von Medienberichten und Interneteintragungen wurde der Verdacht gestreut, dass
Wolfgang P. in der „Sado-Maso-Szene, Kinderpornoszene, im Rotlichtmilieu sowie in einer
geheimen Politiker-Sex-Loge“ verkehrt habe.
Schlussfolgerung:
Im Zuge von umfangreichen Erhebungen wurden durch die jeweils aktenführenden
Dienststellen bei insgesamt 113 Personen aus dem bezughabenden Umfeld (insbesondere
dem einschlägigen Milieu, Anrainer und Hinweisgeber) Erkundigungen durchgeführt, wobei
keinerlei konkrete Anhaltspunkte erbracht werden konnten, dass im Umfeld des Wolfgang P.
jemals derartige Kontakte bestanden oder dieser in den angeblichen Szenen tätig war bzw.
verkehrt habe. Alle in diese Richtung weisenden Hinweise ließen sich nicht bestätigen.
Ein Zusammenhang mit dem Entführungsfall K. ist nicht zu ersehen.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 79:5. Das Verhalten der Staatsanwaltschaft
5.1. Nach Auffassung des Unterausschusses wurden Beweisergebnisse von Seiten
der Staatsanwaltschaft nicht ausreichend erörtert; vielmehr besteht der
Eindruck, dass Ergebnisse im Zweifelsfall dahingend interpretiert wurden, dass
sie in die bestehenden Ermittlungsansätze passen. Aussagen von Zeugen, die
dem widersprachen, wurden in der Regel als wenig glaubwürdig qualifiziert
bzw. wurde solchen Personen die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Das gilt
insbesondere für die Angaben der Tatzeugin A2, die über einen langen
Zeitraum im Kern immer dieselben Angaben machte und auch daher als
besonders glaubwürdig anzusehen ist.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der SOKO Burgenland, GZ P-xx/02 VS
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Tagebuch und Ermittlungsakt der StA Wien, Zl. xxx St xx/08y (vormals xx St
xxxxx/98y)
. Tagebuch und Ermittlungsakt der StA Wien, Zl. xxx St xx/08f
. Hv-Akt des LG für Strafsachen Wien, Zl. xx Hv xx/10x
. Tagebuch der OStA Wien, Zl. xx OStA xx/10f
. Tagebuch und Ermittlungsakt der StA Innsbruck, Zl. xx St xxx/10f
. Äußerung des RSB, Zl. AZ RSB xxxx/11-xx
Sachverhalt:
Die in diesem Kritikpunkt behaupteten Mängel waren auch Gegenstand des
Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Innsbruck, Zl. AZ xx St xxx/10f, das mit
Verfügung vom 23.11.2011 gemäß § 190 Z. 2 StPO in Ansehung aller Beschuldigten
eingestellt wurde. Die Einstellungsbegründung wurde durch den Rechtsschutzbeauftragten
der Justiz überprüft und dabei kein Anhaltspunkt für die Einbringung eines
Fortführungsantrages gemäß § 195 StPO gefunden.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 80:Es wurde daher die Qualität der staatsanwaltschaftlichen Verfahrensführung und der Bezug
habenden Dokumentationen und Begründungen anhand der der Verfahrenseinstellung vom
23.11.2011 zugrundeliegenden Begründung (im Wesentlichen gleichlautend zum Bericht der
Staatsanwaltschaft Innsbruck, Zl. AZ xx St xxx/10f vom 26.08.2011) sowie durch intensive
Sichtung der oben genannten Quellen neuerlich einer eigenständigen, umfassenden und
kritischen Betrachtung unterzogen.
Aufgrund der – abgesehen von der an anderer Stelle bereits behandelten Kritik an der
Behandlung und Wertung der Aussagen der Tatzeugin A2 – im Kommuniquè des
Unterausschusses unkonkretisiert gebliebenen Behauptungen einer – insbesondere im
Umgang mit Beweismitteln und Ermittlungsansätzen und deren Würdigung – mangelhaften
staatsanwaltschaftlichen Verfahrensführung erwies sich die globale Sichtung und
Auswertung obgenannter Quellen im Hinblick auf allfällige Mängel anhand der zur Verfügung
stehenden – insbesondere mangels Bearbeitung mit einer Texterkennung – in suboptimaler
Scanqualität erstellten elektronischen Akten als äußerst aufwändig.
Diese Prüfung ergab zusammengefasst keinen Anhaltspunkt dafür, dass im Zusammenhang
mit der staatsanwaltschaftlichen Be- und Aufarbeitung des Entführungsfalles Natascha K. die
sowohl im alten als auch im neuen Ermittlungsverfahren zu beachtenden Grundsätze,
nämlich insbesondere das Legalitätsprinzip, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie auch
der das Ermittlungsverfahren auf Maßnahmen zur Erfüllung einer strafrechtlichen
Ermittlungstätigkeit beschränkende Grundsatz der strikten Aufgabenbindung (Fabriziy, StPO
11. Auflage, § 5 Rz 5), verletzt worden wären. Soweit in der Außenwahrnehmung vereinzelt
Verzögerungen bei der staatsanwaltschaftlichen Behandlung kriminalpolizeilicher
Anregungen von Ermittlungsmaßnahmen aus dem Ermittlungsakt abgeleitet werden
könnten, sind diese durch die Behandlung dieses Strafverfahrens als Berichtssache gemäß
§ 8 Abs. 1 StAG und die mit dem durch die Erstattung und Prüfung der hier gebotenen
staatsanwaltschaftlichen Berichte verbundenen Zeitaufwand erklärbar.
Auch in Ansehung strategischer Fragen, so z.B. die Entscheidung, ob Vernehmungen durch
das Gericht, die Staatsanwaltschaft oder die Kriminalpolizei durchgeführt werden sollten,
sind – zumindest ergebnisrelevante – Mängel nicht erkennbar.
Aus den umfangreichen staatsanwaltschaftlichen Geschäftsstücken, insbesondere den
Begründungen in den Tagebüchern sowie den zahlreich erstatteten ausführlichen Berichten
ergibt sich insbesondere auch, dass sich die Staatsanwaltschaft in diesem Fall mit allen
relevanten Erhebungsergebnissen, Ermittlungsansätzen und Verdachtsmomenten detailliert
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 81:auseinandergesetzt hat. Eine willkürliche oder tendenziöse Behandlung von Beweis-
ergebnissen ist nicht erkennbar.
Diese Einschätzung findet auch Deckung in der abschließenden Berichterstattung der SOKO
.BK Natascha K. vom 16.12.2009, aus der sich sinngemäß ergibt, dass alle auf dem Boden
der Rechtsstaatlichkeit gebotenen und zulässigen Ermittlungsansätze ausgeschöpft und
abgearbeitet wurden, sowie aus der Bezug habenden E-Mail-Korrespondenz des Polizisten
K9 an Berufskollegen.
Schlussfolgerung:
Eine Prüfung der Bezug habenden Akten und staatsanwaltschaftlichen Tagebücher ergab
keinen Anhaltspunkt dafür, dass bei der staatsanwaltschaftlichen Bearbeitung und
Würdigung der Ermittlungsergebnisse und Ansätze staatsanwaltschaftliche bzw. gesetzliche
Standards verletzt wurden.
Die Würdigung der Aussagen der Tatzeugin A2 durch die Staatsanwaltschaft ist auf Basis
der Ausführungen zu Punkt 2.1. nicht zu beanstanden.
5.2. Am 22.09.2006 erstattete die SOKO ihre abschließende Anzeige an die
Staatsanwaltschaft. Die darin enthaltene „Darstellung der Tat“ widerspricht
jedoch in wesentlichen Punkten den Erkenntnissen, die sich aus den
Erhebungen, insbesondere aus den Einvernahmen von Natascha K. ergeben
haben. So wird etwa die Entführung selbst geschildert wie folgt:
„…habe Wolfgang P. am 02.03.1998 gegen 07.30 Uhr in 1220 Wien, am
Rennbahnweg zwischen Melangasse und Tegelweg gegenüber der „Hundewiese“ die
damals 10jährige Natascha K. auf ihrem Weg zur Volksschule Brioschiweg in seine
Gewalt gebracht. Er habe sie in seinen Kombinationskraftwagen Mercedes Benz 100
D-L, weiß, Originalkennzeichen W-xxxxxxL, auf welchem bisher unbekannte
manipulierte Kennzeichen angebracht gewesen seien, gezerrt. Wolfgang P. habe das
Mädchen durch gefährliche Drohung zur Unterlassung der Gegenwehr genötigt und
sie eingehüllt in eine Decke, im Fahrzeug hinter dem Fahrersitz auf dem Boden
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 82:liegend zum Anwesen Strasshof, Hxxxxxstraße XX, verbracht. Dort habe er sie in
einen vorbereiteten Raum (Verlies), welcher bereits Jahre zuvor von ihm unter seiner
Garage neben der Montagegrube angelegt worden sei, eingesperrt.“
Dieser erste Teil der Darstellung steht in klarem Widerspruch zu Natascha K.s
Aussage. In ihrer ersten Einvernahme hat Natascha K. berichtet, dass
. sie „stundenlang“ durch dicht besiedeltes Gebiet im Zentrum des 22. Bezirks
gefahren wurde;
. der Entführer für sein Opfer weder Toilettesachen, Matratze und Polster vorbereitet
hatte;
. das Verlies Anfang März nicht geheizt war und ein alter Ölradiator provisorisch
aufgestellt werden musste;
Dann beschreiben die Beamten die Zeit der Gefangenschaft:
„Ab etwa Herbst 1998 habe sie unter seiner ständigen Aufsicht in unregelmäßigen
Abständen ihr Verlies verlassen und im Haus Arbeiten verrichten müssen sowie
Körperpflege durchführen dürfen. Das Haus sei stets durch elektronische
Vorrichtungen wie Rollläden, Türschlosscodierung etc. gesichert gewesen“
Die Ausflüge, die regelmäßigen gemeinsamen Einkäufe und die gemeinsame
Arbeit in den vier Wohnungen lassen die Beamten unerwähnt. Alles, was das
Bild von der Gefangenen, die dem Einzeltäter bei der ersten Gelegenheit
entflieht, stört, kommt in der „Darstellung der Tat“ nicht vor.
Diese Fehler und Unrichtigkeiten wurden durch den zuständigen Staatsanwalt
jedoch in keiner Weise hinterfragt oder aufgegriffen.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der SOKO Burgenland, GZ P-xx/02 VS
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Befragung der Beamten des LPK Burgenland, K7 und F6 am 20.9.2012 durch das
Evaluierungsteam
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 83:Sachverhalt:
Um die geschilderte Vorgangsweise der anzeigenden Beamten bei der Erstellung der
Strafanzeige zu erklären bzw. um diese verstehen zu können, muss auszugsweise der
Aufbau und Zweck einer Strafanzeige durch die Kriminalpolizei kurz erläutert werden:
Unter der „Darstellung der Tat“ werden nur tatbildmäßige Handlungen des Beschuldigten
(vor 1.1.2008: Verdächtigen) in möglichst kurzer und prägnanter Form dargestellt, um der
Staatsanwaltschaft und dem Gericht einen Überblick über den Sachverhalt zu ermöglichen,
damit diese eine erste rechtliche Zuordnung vornehmen können.
Erst unter den „Beweismitteln“ werden unter anderem Angaben darüber niedergeschrieben,
welche Zeugen befragt wurden und gegebenfalls was sich daraus ergab.
Die angeführten Angaben,
. das Opfer sei „stundenlang“ durch dicht besiedeltes Gebiet im Zentrum des 22.
Bezirks gefahren worden;
. der Entführer habe für sein Opfer weder Toilettesachen noch Matratze und Polster
vorbereitet gehabt;
. das Verlies Anfang März sei nicht geheizt gewesen und ein alter Ölradiator sei
provisorisch aufgestellt worden;
waren daher laut der Kanzleiordnung für die Bundespolizei nicht unter „Darstellung der Tat“
anzuführen, sondern in den „Beweismitteln“ zu verarbeiten. Diese oben angeführten
Informationen finden sich auch alle tatsächlich, als Auszüge der Angaben des Opfers, in den
„Beweismitteln“ der angeführten Strafanzeige vom 22.9.2006 wieder.
Zudem wurde auf „ihre weiteren Angaben, insbesondere über ihren Aufenthalt im Wohnhaus,
die Tagesabläufe und ihr Verhältnis zu ihrem Entführer sowie den Umständen ihrer Flucht“
auf die ausschließlich beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien
vorgelegten Originalniederschriften hingewiesen. Nachdem den Beamten bei Erstellung der
Strafanzeige die Niederschriften mit Natascha K. nicht mehr zur Verfügung standen, war ein
Hinweis in „Beweismittel“ auf die genauen Angaben des Opfers in den bei Gericht
aufliegenden (original) Niederschriften enthalten.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 84:Schlussfolgerung:
Der erste Teil der Darstellung steht daher in keinem Widerspruch zu K.s Aussagen. Die
Strafanzeige wurde lediglich aufgrund der allgemein gebräuchlichen Kriterien im Rahmen der
kanzleimäßigen Vorschriften aufgebaut und erstellt. Für eine unrichtige Darstellung des
Sachverhaltes, Fehler oder eine „tendenzielle“ Darstellung des Sachverhaltes finden sich
keine Anhaltspunkte.
Der Aufbau der Anzeige sowie eine verdichtete Darstellung des Sachverhaltes in der
„Darstellung der Tat“ ohne Erörterung einzelner Beweisergebnisse entspricht der
einschlägigen Gesetzes- und Beweislage und hat sich überdies in der langjährigen
Kooperation zwischen Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht unbeanstandet
bewährt. Die Anzeige enthält darüber hinaus die Gesamtheit der Ermittlungsergebnisse, auf
deren Basis die Staatsanwaltschaft die Beurteilung vorgenommen hat.
5.3. Auffallend ist weiters das Verhalten der Staatsanwaltschaft nach Wieder-
einsetzung der Adamovich-Kommission Ende 2008. Bei einer Besprechung am
30.04.2008 wurden zwar mit der Kommission offene Fragen dargestellt und die
Einsetzung eines Ermittlungsteams zur Abarbeitung dieser Fragen vereinbart,
doch wurde dieses Vorhaben niemals umgesetzt. Im Gegenteil: StA Mag. K11
berichtete am 11.07.2008 über die Abstandnahme von weiteren Ermittlungen.
Weiters musste in diesem Fall ein schwerwiegendes Kommunikationsproblem
zwischen der Staatsanwaltschaft und den ermittelnden Polizeibeamten
festgestellt werden. Insbesondere ab dem Zeitpunkt der Einsetzung der „SOKO
K.“ im Jahr 2008 herrschte offenbar bei den Kriminalbeamten weitgehende
Unklarheit über die Vorgaben der Staatsanwaltschaft. Zu schriftlichen Berichten
gab es soweit ersichtlich keine Reaktionen, gemeinsame Besprechungen der
Ermittlungsschritte und weiteren Maßnahmen wurden erst ab der Übernahme
des Verfahrens durch LOStA M3 wieder gesetzt. Ob es sich hier um Defizite der
konkret handelnden Personen handelte, oder ob hier ein Systemproblem im
Bereich des neuen StPO-Verfahrens besteht, wird gesondert zu untersuchen
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 85:sein. Durch bessere Kommunikation hätten jedoch weitreichende
Verzögerungen und Leerläufe im Verfahren vermieden werden können.
Anmerkung: entgegen dem missverständlichen Einleitungssatz („Ende 2008“) zur
gegenständlichen Frage werden hiezu die Vorgänge ab dem 10. Februar 2008
(Einsetzung der Evaluierungskommission ADAMOVICH) dargestellt.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der SOKO Burgenland, GZ P-xx/02 VS
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Akt des LG für Strafsachen Wien, Zl. xxx Ur xx/03k
. Tagebücher der Staatsanwaltschaft Wien, Zl. xxx St xx/08f u. xxx St xx/08
. Tagebücher der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Zl. xx OStA xx/10f
Sachverhalt:
Die Bundesministerin für Inneres hat am 10.2.2008 eine Evaluierungskommission unter dem
Vorsitz des Univ.-Prof. Dr. Dr hc.mult. Ludwig ADAMOVICH samt unterstützendem
Arbeitsteam unter Leitung vom Polizisten K9 eingesetzt und es wurden
1. Zwischenbericht 25.2.2008
2. Zwischenbericht 9.5.2008
Abschlussbericht 9.6.2008
erstellt und vorgelegt.
Am 30.4.2008 fand eine Besprechung zwischen der Evaluierungskommission ADAMOVICH
samt dem unterstützenden Arbeitsteam sowie Vertretern der Justiz (LOStA Dr. P5, LStA Dr.
S8, OStA Dr. P4 und StA Mag. K11) statt. Nach einer Präsentation des Falles „K.“ wurden
den Vertretern der Justiz die bis dahin erarbeiteten Unterlagen übergeben. Dabei befanden
sich auch die mit H8 aufgenommenen Niederschriften und die sich daraus ergebenden
fallrelevanten offenen Fragen.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 86:Im Zuge dieser Besprechung wurde unter den vorstehend angeführten Teilnehmern
vereinbart, dass zur Abklärung dieser offenen Fragen ein eigens einzurichtendes
Ermittlungsteam mit einem Staatsanwalt eingesetzt werden soll.
Das Ergebnis dieser Besprechung wurde von den Beteiligten unterschiedlich dokumentiert.
Vom Polizisten K9 wurde diesbezüglich eine Vereinbarung festgehalten, wonach zur
Abklärung noch offener Fragen ein eigens einzurichtendes Ermittlungsteam mit einem
Staatsanwalt eingesetzt werden sollte. Seitens der Oberstaatsanwaltschaft Wien wurde
Einvernehmen dahingehend festgestellt, dass weitere Ermittlungsmaßnahmen der
Staatsanwaltschaft Wien nach eingehenderen Gesprächen des StA Mag. K11 mit den
Ermittlern der Evaluierungskommission ADAMOVICH erwogen werden sollten.
Ob, mit welcher Zusammensetzung und mit welchen Aufgaben aus diesem Anlass die
Bildung einer Ermittlungsgruppe tatsächlich beschlossen wurde, kann aus heutiger Sicht
nicht mehr festgestellt werden.
Am 19.6.2008 setzte der Polizist K9 telefonisch die Staatsanwaltschaft Wien, StA Mag. K11,
über die weiteren Erkenntnisse betreffend H8 – Webseite V1, Ergebnis einer
Googlesuchabfrage – in Kenntnis und übergab am 23.6.2008 persönlich diese Unterlagen.
Über Anfrage vom Polizisten K9, wann mit einer Entscheidung über die weitere
Vorgangsweise gerechnet werden kann, teilte StA Mag. K11 mit, dass er ca. zwei Wochen
zur Erstellung des entsprechenden Berichtes benötige und dieser dann der
Oberstaatsanwaltschaft Wien bzw. dem Justizministerium vorgelegt werde.
Mit Bericht vom 11.7.2008 setzte sich die Staatsanwaltschaft Wien mit den gesammelten
Ergebnissen der Evaluierungskommission ADAMOVICH, insbesondere auch mit dem
Abschlussbericht vom 9.6.2008, ausführlich auseinander und kam zusammengefasst zum
Schluss, dass „die von der Evaluierungskommission ADAMOVICH vorgelegten Unterlagen
keine bisher noch nicht bekannten Tatsachen oder Umstände, auf Grund welcher ein
Ermittlungsverfahren gegen einen bislang unbekannt gebliebenen Mittäter des Wolfgang P.
einzuleiten ist und neue Ermittlungen in Auftrag zu geben sind“, enthalten.
Am 4.8.2008 urgierte der Polizist K9 telefonisch bei der Staatsanwaltschaft Wien, StA Mag.
K11, da noch immer keine Entscheidung seitens der Justiz über die weitere Vorgangsweise
eingelangt war bzw. vorlag. StA Mag. K11 teilte dazu mit, dass er seinen verfassten Bericht
bereits vor einiger Zeit der Oberstaatsanwaltschaft Wien übermittelt und von dort bis dato
keine Rückmeldung erhalten habe.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 87:Am 6.8.2008 konnte der Polizist K9 telefonisch von der Oberstaatsanwaltschaft Wien, EOStA
Dr. N3, in Erfahrung bringen, dass der in Rede stehende Akt bereits dem Justizministerium
übermittelt wurde und dass StA Mag. K11 in seinem Bericht keine weiteren Ermittlungen
anregt hat.
Am 7.8.2008 setzte sich das Mitglied der Evaluierungskommission ADAMOVICH, Dr. R10,
telefonisch mit dem SL Generalanwalt Dr. P7 in Verbindung, wobei vereinbart wurde, dass
die relevanten Unterlagen, die für eine Entscheidungsfindung dienlich und hilfreich seien, zu
übermitteln seien.
Am 8.8.2008 wurden persönlich vom Polizisten K9 die angeführten relevanten Unterlagen
dem SL Generalanwalt Dr. P7 übergeben, der dabei mitteilte, dass dieser Akt von seinem
Referenten Dr. J2 bearbeitet werde.
[Anmerkung: Diese Äußerung dürfte insoferne falsch verstanden worden sein, als der
zuständige Referent tatsächlich StA Mag. H4 war, Dr. J2 hingegen als Abteilungsleiter
fungierte.]
Am 8.10.2008 fand eine Besprechung zwischen Vertretern des BMI, BMJ und OStA Wien
statt, wobei vereinbart wurde, dass unter Zugrundelegung der Rufdatenauswertungen nach
neuen Ermittlungsansätzen seitens der Kriminalpolizei gesucht werden solle.
Von dem unterstützenden Arbeitsteam der Evaluierungskommission ADAMOVICH wurde
deshalb am 22.10.2008 ein Bericht über die bisher gewonnenen Erkenntnisse gegen H8, G4,
A6 und B2, wegen hinreichender Verdachtsgründe „Anfangsverdacht“ nach §§ 206, 207 und
207a StGB, an die Staatsanwaltschaft Wien erstattet.
Bei einer Besprechung am 6.11.2008 zwischen MR Mag. Z1 des .BK, OStA Mag. P4 und
StA K11 wurde vereinbart, dass mit dem vom .BK übermittelten Aktenkonvolut ein neues
Ermittlungsverfahren gegen die dort namentlich genannten Personen, H8, G4, A6 und B2
wegen § 207a StGB, eröffnet werden soll.
Am 21.11.2008 langte der schriftliche Auftrag der Staatsanwaltschaft Wien, Zl. xxx St xx/08f
(datiert vom 7.11.2009), beim Bundeskriminalamt ein, im Rahmen von zweckdienlichen
Erkundigungen gegen H8, G4, A6 und B2, wegen hinreichender Verdachtsgründe –
„Anfangsverdacht“ nach §§ 206, 207 und 207a StGB – die erforderlichen Ermittlungen
durchzuführen.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 88:Zur Durchführung des angeführten Erhebungsauftrages der Staatsanwaltschaft Wien wurde
am 1.12.2008 im Bundeskriminalamt die SOKO .BK Natascha K. eingerichtet, wobei die
behördliche Leitung von Ministerialrat Mag. Z1 ausgeübt und unter der operativen Leitung
vom Polizisten K9 von fünf weiteren Ermittlungsbeamten durchgeführt wurde.
Die Bundesministerin für Inneres hat am 12.12.2008 die angeführte
Evaluierungskommission ADAMOVICH neuerlich mit dem Auftrag eingesetzt, eine
interdisziplinäre begleitende strukturelle Unterstützung der Kriminalpolizei, im Besonderen
auch die Evaluierung weiterer Vorwürfe im Zusammenhang mit der bisherigen Bearbeitung
des Falles „Natascha K.“ wie auch weiterführender Ermittlungen zu gewährleisten und es
wurden
1. Zwischenbericht 5.5.2009
Abschlussbericht 15.1.2010
erstattet.
Von der SOKO .BK Natascha K. wurden im Zuge der durchgeführten Erhebungen,
Befragungen und Auswertungen nachstehende Berichte an die Staatsanwaltschaft Wien,
StA Mag. K11 erstattet:
1. Zwischenbericht 4.2.2009
2. Zwischenbericht 17.4.2009
3. Zwischenbericht 14.7.2009
1. Anlassbericht 9.2.2009
2. Anlassbericht 13.5.2009
3. Anlassbericht 19.5.2009
Im Zuge der Erhebungen konnten durch die SOKO .BK Natascha K. nebenbei auch
strafrechtlich relevante Tathandlungen geklärt werden. Am 29.1.2009 wurde ein
diesbezüglicher Bericht gegen N6 und S2 wegen Verdachtes nach §§ 15, 87, 99 u. 201
StGB sowie gegen N6, N5 und C2 wegen Verdachtes nach §§ 146ff StGB an die
Staatsanwaltschaft Wien erstattet. Der vom Polizisten K9 am 11.2.2009 verfasste schriftliche
Amtsvermerk über Auffassungsunterschiede zwischen ihm und der für die Bearbeitung
dieser Strafsache zuständigen Sachbearbeiterin der Staatsanwaltschaft Wien hat in Bezug
auf die Ermittlungen im Entführungsfall K. keinerlei Relevanz.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 89:Das Ergebnis seiner Prüfung der Anlass-/Zwischenberichte vom 4.2.2009, 9.2.2009 und
17.4.2009, nämlich dass sich daraus keinerlei Hinweise auf konkrete Verdachtsmomente
ergäben, hielt StA Mag. K11 am 22.4.2009 im Tagebuch Zl. xxx St xx/08f zu OZ xx fest.
Aufgrund des Anlassberichtes vom 13.5.2009 legte die Staatsanwaltschaft Wien,
Sachbearbeiter StA Mag. K11, einen Vorhabensbericht vom 2.6.2009 an die
Oberstaatsanwaltschaft Wien vor, mit dem unter Anschluss der genannten
kriminalpolizeilichen Berichte der Ermittlungsstand und die Einschätzung der Verdachtslage
zusammengefasst sowie das Vorhaben der SOKO .BK Natascha K. in die unter Verschluss
gehaltenen Aussagen der Natascha K. aus Gründen des Opferschutzes keine Einsicht zu
gewähren sowie die noch ausstehenden Befragungen von H8, G4 und B2 zu urgieren,
berichtet wurde.
Dieses Vorhaben wurde mit Ausnahme des Standpunktes der Staatsanwaltschaft Wien zum
Thema Gewährung von Akteneinsicht in die Aussageprotokolle der Natascha K. mit Erlass
der Oberstaatsanwaltschaft Wien vom 15.7.2009, Zl. xx OStA xxx/08x (eingelangt bei der
Staatsanwaltschaft Wien am 17.7.2009) zur Kenntnis genommen.
In diesem Erlass teilte die Oberstaatsanwaltschaft Wien grundsätzlich die Einschätzung der
Staatsanwaltschaft Wien, wonach die Sonderkommision „keine Umstände aufzeigen konnte,
die einen bislang nicht bekannten schwerwiegenden Verdacht erkennen ließen“, ersuchte die
Staatsanwaltschaft Wien aber zugleich (§ 29 Abs. 1 StAG), Mitgliedern der beim
Bundeskriminalamt eingerichteten SOKO .BK Natascha K. Einsicht in die unter Verschluss
gehaltenen, Natascha K. betreffenden Beweismittel zu gewähren, wobei aus Gründen des
Opfer- und Geheimnisschutzes die Akteneinsicht in Amtsräumen der Staatsanwaltschaft
Wien ohne Anfertigung von Kopien durch die von der SOKO .BK Natascha K.
vorgeschlagenen Kriminalbeamten K9 und L3 vorgesehen wurde.
Am 27.4.2009 teilte der Polizist K9 schriftlich dem behördlichen Leiter der SOKO .BK
Natascha K., Ministerialrat Mag. Z1, mit, dass sich bis dato weder der StA Mag. K11 (Causa
K.) noch die zuständige Sachbearbeiterin der Staatsanwaltschaft Wien (Causa N5N6 ua) zu
den bisher übermittelten Unterlagen (Anlass-/Zwischenberichten) in irgendeiner Form
geäußert bzw. dem Ermittlungsteam Aufträge erteilt habe.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 90:Am 29.5.2009 fragte der Polizist K9 telefonisch bei dem zu dieser Zeit mit dem Entwurf des
Vorhabensberichtes an die Oberstaatsanwaltschaft Wien befassten StA Mag. K11 nach, ob
und wann mit einer Entscheidung zu dem im Anlassbericht gestellten Ersuchen um
Einsichtnahme in die unter Verschluss gehaltenen Akten bzw. Unterlagen gerechnet werden
könne. Mag. K11 teilte mit, dass er dazu derzeit keine Auskunft geben könne und vertröstete
den Polizisten K9, der darüber einen Amtsvermerk anfertigte.
Am 3.6.2009 teilte der Polizist K9 schriftlich sämtlichen Mitgliedern der
Evaluierungskommission ADAMOVICH mit, dass eine Entscheidung seitens der
Staatsanwaltschaft Wien, Mag. K11, über die Einsichtnahme in die unter Verschluss
gehaltenen Akten bzw. Unterlagen noch nicht vorliege. Mag. K11 habe der
Oberstaatsanwaltschaft Wien einen Vorhabensbericht vorgelegt und darin seine Meinung
dargelegt. Der Polizist K9 bekam von Mag. K11 jedoch keine Auskunft über einen etwaigen
Entscheidungszeitpunkt bzw. über seinen eingebrachten Antrag.
Am 29.6.2009 teilte der Polizist K9 bei einer Besprechung mit dem Evaluierungsteam mit,
dass weder zu den bisher überbrachten zwei Zwischen- und drei Anlassberichten ein Auftrag
oder eine Äußerung seitens der Staatsanwaltschaft zum weiteren Vorhaben des
eingerichteten Ermittlungsteams ergangen sei, noch in der Strafsache gegen N6 ua eine
Äußerung der Staatsanwaltschaft Wien erfolgt sei. Am 30.6.2009 übermittelte der Polizist K9
schriftlich das angeführte Besprechungsergebnis dem behördlichen Leiter der SOKO .BK
Natascha K., Ministerialrat Mag. Z1.
Am 16.7.2009 teilte Mag. K11 telefonisch dem behördlichen Leiter der SOKO .BK Natascha
K., Ministerialrat Mag. Z1 mit, dass nach Genehmigung durch die Oberstaatsanwaltschaft
Wien den Beamten der SOKO .BK Natascha K. die Einsicht in die unter Verschluss
gehaltenen Unterlagen (Niederschriften der Natascha K.) gewährt werde. Diese
Niederschriften waren von der SOKO Burgenland sukzessive dem Untersuchungsrichter im
Original vorgelegt worden, ohne dass jeweils Kopien derselben beim kriminalpolizeilichen
Akt verblieben wären.
Am 28.7.2009 fand im Präsidium des Landesgerichtes für Strafsachen Wien die
Einsichtnahme in die unter Verschluss gehaltenen Unterlagen durch Beamte der SOKO .BK
Natascha K. im Beisein des Mag. K11 statt, wobei entsprechend dem bereits zitierten Erlass
der Oberstaatsanwaltschaft Wien keine Kopien der Niederschriften der Natascha K.
angefertigt werden durften.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 91:Am 3.8.2009 wurde in der Zeitschrift „Heute“ die Kritik des Sprechers der Staatsanwaltschaft
Wien, Dr. J1, gegenüber dem „Kurier“ „dass die Kriminalisten in acht Monaten nur eine
einzige Einvernahme durchgeführt haben, das sei eben nicht viel“, zitiert. Im „Heute“-
Gespräch führte Dr. J1 noch weiters aus: „Wir hatten der SOKO K. schon im November
2008 den Autrag gegeben, vier Personen einzuvernehmen – eine wurde dann tatsächlich
befragt.“
Aufgrund dieser Zeitungsartikel verfasste der Polizist K9 am 3.8.2009 einen diesbezüglichen
Amtsvermerk, in dem er den Ausführungen des Sprechers der Staatsanwaltschaft Wien, Dr.
J1, entschieden widerspricht und als unrichtig bzw. befremdend bezeichnet. Der Polizist K9
führte außerdem in diesem Amtsvermerk sämtliche bis zu diesem Zeitpunkt von der SOKO
.BK Natascha K. getätigten Erhebungen, Befragungen, Erkundigungen, zeugenschaftlichen
Einvernahmen und Berichterstattungen (Anlass-/Zwischenberichte) an die
Staatsanwaltschaft Wien an. Außerdem wurde angemerkt, dass vom fallbefassten
Staatsanwalt, Mag. K11, zu sämtlichen Anlass- und Zwischenberichten überhaupt keine
Rückäußerung im Rahmen seiner Leitungsbefugnis im Ermittlungsverfahren an die SOKO
.BK Natascha K. gekommen und dadurch der Eindruck entstanden sei, dass StA Mag. K11
über die Ergebnisse der Ermittlungsarbeit nicht ausreichend informiert gewesen sei.
Am 5.8.2009 teilte der Polizist K9 schriftlich sämtlichen Mitgliedern der
Evaluierungskommission ADAMOVICH mit, dass nach Auskunft von EOStA Dr. M3 die
Oberstaatsanwaltschaft Wien das Verfahren im Fall „K.“ an sich gezogen habe und nunmehr
er Ansprechpartner für die Kriminalpolizei bzw. die eingerichtete SOKO .BK Natascha K. sei.
Von der SOKO .BK Natascha K. wurden im Zuge der durchgeführten Erhebungen,
Befragungen und Auswertungen nachstehende Berichte an die Staatsanwaltschaft Wien,
EOStA Dr. M3 erstattet:
Anlassbericht 26.8.2009
Anlassbericht 16.9.2009
2. Anlassbericht 24.9.2009
3. Anlassbericht 19.10.2009
4. Anlassbericht 20.10.2009
5. Anlassbericht 27.10.2009
6. Anlassbericht 7.11.2009
7. Anlassbericht 10.11.2009
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 92:8. Anlassbericht 26.11.2009
9. Anlassbericht 13.1.2010
Abschlussbericht 16.12.2009
Schlussfolgerung:
Der Umstand, dass Ausfertigungen der mit Natascha K. aufgenommenen Niederschriften zur
besonderen Sicherstellung der Vertraulichkeit der Aussagen nicht auch (wie üblicherweise)
zum kriminalpolizeilichen Akt gegeben wurden, erwies sich im Hinblick auf die
nachfolgenden Ermittlungen als unzweckmäßig.
Ferner wird festgehalten, dass die im Zeitraum von Februar 2008 bis Jänner 2010
vorgelegene Befassung einer Evaluierungskommission – zusätzlich zu den im
Ermittlungsverfahren tätigen Behörden – eine große Herausforderung auch für das
Informationsmanagement darstellte; dies vor dem Hintergrund eines mit 1.1.2008 in Kraft
getretenen Systemwandels in der Strafprozessordnung. In dieser Konstellation sind
Kommunikationsdefizite zwischen den beteiligten Einrichtungen feststellbar. Eine dadurch
verursachte, ergebnisrelevante Beeinträchtigung der Ermittlungsqualität ist aber
ebensowenig erkennbar wie eine fehlerhafte staatsanwaltschaftliche Verfahrensführung.
Auch aus Sicht der Evaluierungskommission wäre es wünschenswert gewesen, wenn auf
kriminalpolizeiliche Berichte eine raschere Reaktion der Staatsanwaltschaft im Sinne des
Grundsatzes der Zusammenarbeit nach der neuen Strafprozessordnung erfolgt wäre.
Die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene Einschätzung, wonach sämtliche möglichen
Beweis- und Ermittlungsquellen spätestens im Dezember 2009 ausgeschöpft waren, steht im
Einklang mit den – auch aus heutiger Sicht vollinhaltlich aufrecht zu erhaltenden –
Ergebnissen im Abschlussbericht der SOKO .BK Natascha K. vom 16.12.2009.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 93:5.4. Auffallend ist insgesamt auch, dass der Polizist K9 auch nach Einstellung des
Verfahrens – aus welchen Gründen immer – weitere Ermittlungen anstellte.
Unterlagen darüber dürfte jedenfalls xxxxxxxxxxxx gehabt haben, dem
Untersuchungsausschuss standen aber offensichtlich nicht alle derartigen
Unterlagen zur Verfügung.
Zu diesem Punkt wurden folgende Erhebungen durchgeführt:
Quellen:
. Aktenkonvolut der SOKO .BK Natascha K., GZ: x.xxx.xxx/1-II/BK/3/xx
. Akt des SPK Graz, Zl. E1/xxxxx/10 (Selbstmord des Polizisten K9)
. Akt des SPK Graz, Zl. B5/xxxxx/10 (polizeiliche Ermittlungen gegen K10)
. Akt der StA Graz, Zl. xx St xx/10x
. Handschriftliche Aufzeichnungen des Polizisten K9
. Auswertungsbericht des privaten Laptops sowie USB-Sticks des Polizisten K9 durch
den Polizisten F5 des .BK, Büro 5.2. (Computer – u. Netzwerkkriminalität)
. Befragung des Polizisten L3 des .BK, Büro 3.2.3. (Cold Case Managemet) am
5.10.2012 durch das Evaluierungsteam
. Befragung der Polizisten L1, K6 und R1 des SPK Graz am 11.10.2012 durch das
Evaluierungsteam
. Befragung des Polizisten S3 des .BK, Büro 4.1. (Kriminalanalyse) am 18.10.2012
durch das Evaluierungsteam
Sachverhalt:
Der Abschlussbericht der SOKO .BK Natascha K., datiert mit 16.12.2009, wurde persönlich
vom Polizisten K9 am 18.12.2009 der Oberstaatsanwaltschaft Wien, do. Zl. xxx St xx/08f, an
den fallbefassten EOStA Dr. M3 überbracht. Die Ermittlungen der SOKO .BK Natascha K.
waren damit abgeschlossen. Aufgrund des angeführten Abschlussberichtes wurden am
8.6.2010 seitens der Oberstaatsanwaltschaft Wien die Ermittlungen gegen H8 wegen §§ 99
u. 207a StGB eingestellt und wegen § 299 StGB ein Strafantrag gegen den Genannten beim
Landesgericht für Strafsachen Wien eingebracht. H8 wurde am 30.8.2010 vom
Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Vorwurfes der Begünstigung (§ 299 StGB)
rechtskräftig freigesprochen (siehe dazu auch Punkt 2.6.).
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 94:Außerdem ist anzuführen, dass am 5.10.2009 das Verfahren seitens der
Oberstaatsanwaltschaft Wien gegen G4, B2 und A6 wegen §§ 206, 207 u. 207a StGB aus
Beweisgründen gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt wurde.
Am 24.6.2010 erschoss sich der Polizist K9 in seiner Wohnung in xxxx xxxx,
Sxxxxxxxxxstraße xx/xx/x. In der Zeit vom 30.6.2010 bis 11.8.2010 verschaffte sich
xxxxxxxxxxxxxx K10 widerrechtlich Zutritt (Zweitschlüssel) zu der angeführten Wohnung und
nahm daraus mehrere Wert- bzw. Gebrauchsgegenstände (Bargeld, Laptop, mobile
Datenträger, schriftliche Unterlagen…) an sich. Im Zuge der durchgeführten Erhebungen und
gesetzten Maßnahmen in der Zeit vom 27.8.2010 bis 3.9.2010 (Pkw- und
Hausdurchsuchungen, Sicherstellungen) durch die Staatsanwaltschaft und das SPK Graz
sowie der vorläufigen Festnahme des K10 konnten die mobilen Datenträger, Bargeld, sowie
schriftliche Unterlagen des verstorbenen Polizisten K9 vorgefunden und sichergestellt
werden. Den nicht auffindbaren privaten Laptop, den K10 angeblich zerstört und entsorgt
hatte, brachte der Genannte einige Tage später aufgrund des massiven Erhebungsdruckes
freiwillig zur Staatsanwaltschaft Graz.
Vom .BK in Wien wurden in weiterer Folge der private Laptop sowie die mobilen Datenträger
des verstorbenen Polizisten K9 ausgewertet, wobei festgestellt werden konnte, dass nach
dessen Ableben auf die darauf befindlichen Daten zugegriffen wurde. K10 wurde am
11.3.2011 vom Landesgericht Graz wegen §§ 127, 128, 162 u. 229 StGB zu einer nicht
rechtskräftigen Freiheitsstrafe von 8 Monaten bedingter Haft verurteilt. K10 meldete
Rechtsmittel gegen das angeführte Gerichtsurteil an. Das angeführte Berufungsverfahren
wurde vorerst abgebrochen, da K10 das ausgefertige erstinstanzliche Gerichtsurteil wegen
einer fehlenden Zustelladresse nicht ausgefolgt werden konnte.
Am 12.12.2012 bestätigte das OLG Graz das erstinstanzliche Urteil gegen K10 in der Höhe
von 8 Monaten bedingter Haft wegen §§ 127, 128, 162, 229 und 241e StGB.
Am 5.11.2012 erhielt das Evaluierungsteam über den Lenkungsausschuss ein Aktenkonvolut
von K10, xxxxxxxx des verstorbenen Polizisten K9. Eine Sichtung des Aktenkonvolutes
brachte keine Hinweise, dass der Polizist K9 neue Ermittlungschritte nach Einstellung des
Verfahrens gesetzt habe.
EVALUIERUNG DES FALLES NATASCHA K BAND II SEITE 95:Schlussfolgerung:
Aus den handschriftlichen Aufzeichnungen in mehreren Notizblöcken des Polizisten K9
während seiner Tätigkeit bei der SOKO .BK Natascha K., die augenscheinlich wie eine Art
„Tagebuch“ geführt wurden, geht hervor, dass der Genannte nach Verfassen und Übergabe
des Abschlussberichtes an die Oberstaatsanwaltschaft Wien im Dezember 2009 und der
danach stattgefundenen Pressekonferenz im Jänner 2010 keinerlei weitere
Ermittlungsschritte mehr vermerkt hat, sondern lediglich einzelne Überlegungen angestellt
und darauf bezugnehmende Telefonate dokumentiert hat.
Aus heutiger Sicht gibt es (insbesondere auch nach Prüfung der von K10 bereitgestellten
Unterlagen) keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Beweisergebnissen bzw
Ermittlungsansätzen im Entführungsfall K., die eine von der abschließenden
Berichterstattung vom 16.12.2009 der SOKO .BK Natascha K. (Polizist K9) abweichende
Beurteilung des Sachverhaltes zulassen würden.
Wien, im April 2013
Für die Evaluierungskommission:
Dr. Herbert ANDERL
Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit aD., BM.I
Mag. Christian PILNACEK
Leiter der Sektion Strafrecht im BMJ
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
Möglichkeit für Kommentare:Die Aufdecker » Natascha Kampusch » Zusammenfassungen, Informationen und Dokumente
20130416 0841 Evaluierungsbericht zum Fall Natascha Kampusch
http://www.dieaufdecker.com/index.php?topic=832.0xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx