BRD 2009 VORRANG DER GROSSELTERN VOR PFLEGEELTERN - Danke für den Hinweis.
Maschinelle Transkription ohne Gewähr.
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Persönliche Anmerkung:
Deutsche Rechtsprechung und Lehre sinngemäß in Österreich anwendbar (OGH)
Bürgerliche Meinung gilt als rechtsunkundig und bedarf der richterlichen Anleitungspflicht.
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http://www.caritas-nrw.de/downloads/recht-info/r4-09.pdfIM PDF-ANHANG UNTEN: SEITE 55 und 56
BRD CARITAS NRW RECHT INFORMATIONSDIENST 2009-4.pdf SEITE 55
Vorrang der Großeltern vor Pflegeltern
bei der Betreuung und Erziehung des Enkelkindes1. Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, die aus Eltern und Kindern bestehende Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen wie auch im materiell-wirtschaftlichen
Bereich als eigenständig und selbstverantwortlich zu respektieren.
Art. 6 Abs. 2 GG garantiert den Vorrang der Eltern bei der Verantwortung für das des Schutzes
und der Hilfe bedürftige Kind.
Diese Verfassungsgrundsätze gebieten eine bevorzugte
Berücksichtigung der Familienangehörigen bei der Auswahl von Pflegern und Vormündern,
sofern keine Interessenkollision besteht oder der Zweck der Fürsorgemaßnahme
aus anderen Gründen die Bestellung eines Dritten verlangt.
2. Bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Personen sind der mutmaßliche Wille der
Eltern, die persönlichen Bindungen des Mündels, die Verwandtschaft oder Schwägerschaft
mit dem Kind sowie dessen religiöses Bekenntnis zu berücksichtigen.
3. Sind Verwandte zur Führung der Vormundschaft geeignet, so dürfen sie nicht etwa deswegen
übergangen werden, weil ein außenstehender Dritter noch besser dazu geeignet
wäre, beispielsweise im Hinblick auf eine optimale geistige Förderung des Kindes.
4. Andere Personen kommen als Vormund nur in Betracht, wenn ein nach den aufgezeigten
Grundsätzen geeigneter Verwandter oder Verschwägerter nicht vorhanden ist.
Auch
eine Bestellung des Jugendamtes gemäß § 1791b Abs. 1 BGB ist nur zulässig, wenn
eine als Einzelvormund geeignete Person nicht vorhanden ist.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.12. 2008 – 1 BvR 2604/06
Aus dem Sachverhalt
Die Verfassungsbeschwerde ist von Großeltern erhoben, die verlangen, dass ihnen die
Vormundschaft für ihr Enkelkind D., geboren im August 2004 übertragen wird.
Der Kindesvater ist ihr Sohn.
Für die Kindesmutter ist eine Betreuerin bestellt, für den
Kindesvater ist eine früher bestehende Betreuung aufgehoben.
In einem Verfahren vor dem Amtsgericht, das die in 2000 geborene Tochter L. der Kindesmutter
betraf, hat der Sachverständige L. in seinem Gutachten vom 10. Januar 2005
festgestellt, dass der Kindesvater und die Kindesmutter nicht erziehungsfähig sind.
Das Amtsgericht entzog der Kindesmutter durch einstweilige Anordnung vom 7. September
2004 die elterliche Sorge für D. und übertrug sie dem Jugendamt des Kreises V. als
„Pfleger“.
Dieses brachte D. am 14. September 2004 in der Pflegefamilie B. unter.
Die Großmutter beantragte am 9. November 2004 die Übertragung der Vormundschaft an
sie und die Herausgabe des Kindes zur Pfl ege.
Nach Ablehnung des Antrags wandten sich
die Großeltern am 30. August 2005 an das Amtsgericht mit dem Wunsch, die Vormundschaft
oder zumindest die Pfl egschaft für D. zu erhalten.
Mit Beschluss vom 7. April 2006 wies das
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Amtsgericht den Antrag u. a. mit der Begründung zurück, bei regelmäßig durchgeführten
Hausbesuchen sei festgestellt worden, dass D. in der Pfl egefamilie B. kindgerecht betreut
werde und eine tragfähige Beziehung zu seinen Pflegeeltern entwickelt habe.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 20.
Juli 2006 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus:
Das Verwandtschaftsverhältnis
der Großeltern zum Enkelkind sei für sich allein kein ausreichender Grund, eine
bestehende Vormundschaft aus Gründen des Kindeswohls aufzuheben, nachdem es die
Beschwerdeführer versäumt hätten, sich rechtzeitig und möglichst vor der Geburt von D.
um eine Vormundschaft zu bewerben.
Es diene nicht dem Wohl des Kindes, es aus seiner
vertrauten Pflegefamilie herauszunehmen, in der es praktisch seit seiner Geburt gelebt
habe, um es in Zukunft bei seinen Großeltern leben zu lassen, über deren Erziehungseignung
keine gesicherten Erkenntnisse vorlägen.
Auf diesen Gesichtspunkt habe schon die Verfahrenspflegerin von D. hingewiesen.
D. sei in seiner Pfl egefamilie gut aufgehoben.
Die Pflegeeltern hätten drei eigene Kinder aufgezogen.
Die Pflegemutter habe zudem langjährige Erfahrung mit der Betreuung von Pflegekindern.
Das Bundesverfassungsgericht hob die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf und
verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück.
In der Begründung stützte es sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte:
Das Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK umfasst zumindest auch
nahe Verwandte – zum Beispiel Großeltern und Enkel –, da sie innerhalb der Familie
eine beachtliche Rolle spielen können.
Die Achtung des so verstandenen Familienlebens begründet für den Staat die Verpflichtung,
die normale Entwicklung dieser Beziehung zu ermöglichen.
Hieraus folgt, dass die Gerichte bei der Auswahl eines Vormunds bestehende
Familienbande zwischen Großeltern und Enkeln zu beachten haben.